Hochvogel
2000 – aber nächstes Jahr kriegen wir dich!
Es ist nun
bereits eine Tradition, dass wir im September eine mehrtägige Bergtour im
Allgäu unternehmen. Wir – das sind: Andrea aus Baden-Baden, Kathrin aus
Clausthal-Zellerfeld und Rosi aus Raitenbuch im Altmühtltal.
Für
dieses Jahr hatten wir uns den Hochvogel ausgesucht – den „König der Allgäuer
Alpen“. Diesen Beinamen hat er wirklich verdient, eindrucksvoll grenzt dieser markante
Felsklotz die Allgäuer Alpen nach Süden zum
Lechtal ab. Und den Namen Hochvogel trägt er nicht zu unrecht, denn wie
ein Adler, der mit ausgebreiteten Flügeln zum Start ansetzt, so wirkt das
Bergmassiv für den Betrachter aus dem Norden – übrigens sehr schön zu
betrachten bei der Anfahrt über die Oberjoch-Paßstraße von der
Aussichtskanzel im oberen Teil der Strecke.
Obwohl wir
von vielen Seiten gehört haben, dass der Berg zu überlaufen ist, wollten wir
die Tour machen. Nicht nur immer von anderen Gipfeln zum Hochvogel schauen –
sondern auch mal umgekehrt. Und wenn wirklich viel los ist auf dem Berg, dann
gehört das halt dazu – ein anderes mal suchen wir uns dann eine Route mit
mehr Einsamkeit. Aber dieser Begriff ist im Allgäu ja sowieso relativ –
Bergeinsamkeit gibt es dort eigentlich nicht mehr.
Schnell
war geplant und organisiert, Kathrin reservierte ein Zimmer in Bad Oberdorf mit
einem tollen Frühstück zu einem ansprechenden Preis. Dann konnte die Tour
bereits losgehen.
Am Freitag
den 22. September 2000 kam Kathrin zu mir nach Raitenbuch und stellte ihr Auto in der Garage
unter – dann fuhren wir weiter Richtung Allgäu. In Bad Oberdorf trafen wir
uns mit Andrea, die aus Baden-Baden direkt gefahren ist. Als Erstes wurden die
Rucksäcke noch mal umgepackt und sortiert, schließlich wollten wir manche
Dinge nicht in dreifacher Ausführung mittragen – und unser Proviant wurde
nach persönlichen Vorlieben gewählt und verteilt.
Schnell
noch kontrollieren, ob Kathrin wieder ihr 400-gr-Filetiermesser dabei hat – das
muß ja nicht sein. Die Arme wollte sich für jedes Teil im Rucksack
rechtfertigen – aber so streng sind wir doch gar nicht.
Dann ging
es noch zu einem netten Abendessen in den „Hirschen“ nach nebenan.
Zwiebelrostbraten und Bodenseefelchen schmeckten ausgezeichnet und wir hatten
beste Laune, als wir wieder in die Pension gingen. Man merkt, wir sind im ländlich-sittlichen
Bayern: vor der Drogerie steht ein Verkaufsregal mit Tuben und Flaschen – und
scheinbar kommt da über Nacht nicht mal was weg.
Am nächsten
Morgen nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir zum Parkplatz nach
Hinterstein – mit Gästekarte ist dieser kostenlos – und merken erst mal,
wie beliebt diese Gegend an einem schönen Wochenende ist. Bereits um 9.00 Uhr
ist der Parkplatz ziemlich voll und immer noch kommen weitere Fahrzeuge dazu.
Wir steigen in den Bus zum Giebelhaus, auf der Privatstraße dorthin sind Autos
verboten, zu Fuß wollten wir uns den Weg von ca. 2 Geh-Stunden auf Asphalt nicht
antun und bezahlen halt DM 5,50 für die einfache Fahrt. Durch eine
eindrucksvolle Landschaft geht es los – es kommen uns Gedanken an Kanada in
dem weiten Tal mit einem breiten, wild schäumenden Bach.
Kurz vor
10 Uhr sind wir am Giebelhaus(1060 mtr.) , einem idyllisch gelegenen Gasthaus mit
dem besten Apfelstrudel der Gegend – aber den sparen wir uns für die Rückkehr
auf und gehen gleich los auf einem Asphaltweg ins Tal. Nach einiger Zeit kommt ein
Abzweig durch das romantische „Bärgündele“, vorbei an Wasserfällen, meist
schattig unter hohen Laubbäumen, die bereits ein buntes Blätterkleid angelegt
haben. Und bald darauf kommen wir an die obere Bärgündele-Alpe auf 1476 mtr.,
die sich für eine Erfrischung oder einen kleinen Imbiss anbietet.
Wir nehmen
uns dafür jedoch keine Zeit,
denn in gar nicht weiter Ferne, hoch über einem etwas steileren Weg
sehen wir bereits die Dächer des Prinz-Luitpold-Hauses. Auf einem steinigen,
aber gut zu gehenden Weg geht es immer weiter nach oben, über ein paar kleine Bäche
und in kurzen Kehren. Gerne bleiben wir stehen, um das Panorama hinter uns
immer wieder zu betrachten. In der Woche vorher war ein Wetterumschwung mit
Neuschnee bis auf unter 2000 mtr. Höhe, und so sehen wir ein weißes Dach über
satt grünen Wiesen – und dazu ein traumhaftes Herbstwetter mit viel Sonne und
Licht.
Die Kehren
werden immer enger, über die steinige Wegstrecke kommen wir schnell höher und
haben bald das Prinz-Luitpold-Haus auf 1846 mtr. erreicht. Wir haben gerade mal
3 Stunden gebraucht und es ist noch nicht mal 13.00 Uhr, als erstes kümmern wir
uns um die Lagervergabe – der Wirt erzählt uns, dass in dieser Nacht sein
Haus überfüllt sein wird und so geben wir uns zufrieden mit den 3 schmalen
Lagerplätzen auf einer
Stockpritsche, neben uns liegt die Kletterausrüstung von 2 Leuten auf dem Lager
– ich nehme freiwillig den Schlafplatz neben den „Eisenmännern“ – in
der Hoffnung, dass ich da keine schnarchenden Typen erwische.
Kaum haben
wir unsere Sachen verstaut und das Lager belegt, geht es erst mal auf die
Sonnenterrasse mit einer Apfelschorle und dem Bergsteiger-Essen – Erbseneintopf
mit Wurst – ich glaube das ist Standard auf allen Hütten der Alpen. Aber es
schmeckt bestens und bald sitzen wir fachsimpelnd bei einer Gruppe Männer, die
unglücklicherweise wegen dem vielen Neuschnee heute den Hochvogel nicht
erreichen konnten – und morgen müssen sie schon wieder heim.
Wir wollen
es langsam angehen und machen an diesem Nachmittag nur noch eine kleine Tour
hoch zum Sattel des Jubiläumsweges mit Blick ins Schwarzwassertal. Wir stapfen
im oberen Stück durch sulzigen Schnee und Matsch und finden dann eine schöne
trockene Stelle unterhalb der Sattelköpfe mit weitem Blick
nach Norden und Osten. Bei bestem Wetter sehen wir die Zugspitze aus den
vielen Gipfeln hochragen. Die Sonne wärmt und gibt einen tollen Blick über das
schneebedeckte Allgäu-Panorama im Süden und Westen. Bevor die Sonne hinter dem
Grat verschwindet machen wir uns wieder an den Abstieg zum Prinz-Luitpold-Haus
und sitzen dann bei einer zünftigen Brotzeit auf der sehr schattigen Terrasse.
Es wird dunkel und gleichzeitig recht kühl, aber das macht nichts, dafür sehe
ich den tollsten Sternenhimmel, an den ich mit seit Jahren erinnern
kann. Millionen von Sternen funkeln über uns – und wir sitzen bei der einen
oder anderen Flasche Wein bis später Stunde am Tisch - wann haben wir das schon
zuhause.
Die Nacht
im Matrazenlager ist wie so oft in den Berghütten,
in dem engen Raum schnarcht
fast immer jemand und an Schlafen ist nicht viel zu denken. Zu meinem Glück,
sind die „Eisenmänner“ verschwunden und die Lager wurden nicht mehr neu
vergeben und so haben wir zumindest genügend Platz,
um es uns auf der Pritsche bequem zu machen.
Früh
morgens geht es recht schnell, aufstehen, zusammenpacken und schnell ein Frühstück.
Es ist kein kulinarisches Highlight – 2 Scheiben Schwarzbrot mit Butter und
Marmelade, ich begnüge mich gleich mit 2 Powerbars, und Kaffee dazu. Es ist
schnell gegessen und um 8.00 Uhr sind wir fertig für den weiteren Aufstieg und
stapfen auf dem Standardweg hoch Richtung Hochvogel. Bereits ab ca. 2000 mtr. Höhe
müssen wir wieder durch den schweren Schnee und es kommt schon mal vor, dass
wir auf eine kleine Eisplatte treffen, die langsam wieder antaut. Der ganze Weg
ist nicht einfach, aufgrund des Neuschnees ist in den letzten Tagen niemand von
der Allgäuer Seite aus auf den Hochvogel gekommen – der einzige Weg war über
die Lechtaler Seite auf dem Bäumenheimer Weg, das ist jedoch ein zu weiter
Umweg für uns, schließlich wollen wir am Abend noch heimfahren.
Lange überlegen
wir und beobachten die paar anderen Leute, die mit uns unterwegs sind – wir
beschließen nicht über die Kreuzspitze mit einer Drahtseilsicherung im oberen
Abschnittzu gehen – sondern den Weg hinten rum, durch den „kalten Winkel“ zu nehmen. Auf
diesem nordseitigem Kar liegt auch im Hochsommer noch Schnee, das stört uns
nicht, da heute ja überall Schnee liegt – die wenigen Leute vor uns haben den
Weg etwas ausgetreten, aber in dem nassen Schnee haben wir bald sehr
durchfeuchtete Schuhe. Nach der Durchquerung des kalten Winkels sogar ein paar
Schritte mit Einsatz der Hände – und da steht er nun vor uns schneebedeckt:
der Hochvogel - von dieser Seite
aus heute noch keine Spur, die anderen Wanderer nehmen den langen Bäumenheimer
Weg.
Da sitzen
wir nun keine 300 Höhenmeter unter dem Gipfel und wollen es nicht glauben, dass er
heute nichts für uns ist, die steilen, teils brüchigen Stufen ab der
Kaltwinkelscharte sind mit Schnee und auch Eis bedeckt und wir sind nicht
dafür gerüstet – wir denkt auch an so einen Wintereinbruch Anfang September.
Aber unser Trost: der Hochvogel ist auch im nächsten Jahr noch da – und
manche Wanderer, die wir getroffen haben, mussten in diesem Jahr schon zum
zweiten Mal unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Wir machen
uns schnell an den Rückweg – irgendwie sind wir trotzdem enttäuscht – da
ist man schon so nahe dran und es ist doch nichts, was soll's – in diesem Jahr
haben auch schon „größere“ Bergsteiger ihre gesetzten Ziele nicht
erreicht. Schnell sind wir wieder unten am Prinz-Luitpold-Haus und nach einer
erfrischenden Apfelschorle auf der Terrasse machen wir uns auf den Weg zurück
zum Giebelhaus.
Schnell
verlieren wir an Höhe und machen erst mal eine kleine Pause bei der Bärgündele
Alpe – nochmals können wir unseren Blick über das Bergpanorama schweifen
lassen und bald sind wir wieder auf dem sich lange hin ziehenden Asphalt-Weg.
Mit uns
sind an diesem wunderschönen Herbst-Sonntag viele Wanderer unterwegs und auf
den breiteren Wegen Unmengen von Mountain-Bikern. Ein Glück, dass in diesem
Wanderpardies die Autos keinen Zutritt haben, so müssen wir nicht auf den
Verkehr achten und kommen gegen 14.00 Uhr bereits an das Giebelhaus. Dort ist
ein großer Auftrieb von Wanderern und Mountain-Bikern – gerade, dass wir noch
3 Plätze finden für unsere Mittagsrast. Irgendwie sind wir in Gedanken immer
noch auf dem Berg und sind so auch etwas geschockt von dem Menschenauflauf.
Mit
dem Bus geht es wieder zurück zum Parkplatz – ganz Hinterstein ist zugeparkt
von Sonntagsausflüglern aus dem Schwäbischen. Wir beeilen uns, damit wir vor
dieser Blechlawine über die Jochstraße zur Autobahn kommen. Ein letzter Blick
zurück in die Berge an der Aussichtsstelle am Oberjoch – dann trennen sich
unsere Wege, Andrea fährt wieder nach Baden-Baden und wir müssen noch bis ins
Altmühltal. Das Glück ist uns hold und wir kommen ohne Stau und Probleme
bereits nach gut 3 Stunden um 19.00Uhr zuhause an.
Es
war leider ein kurzes Bergwochenende – aber wir planen bereits für das nächste
Jahr.
Und den
Hochvogel werden wir nicht aus den Augen verlieren.