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Hochvogel 2000 – aber nächstes Jahr kriegen wir dich!  
  22. bis 24. September 2000

 

Es ist nun bereits eine Tradition, dass wir im September eine mehrtägige Bergtour im Allgäu unternehmen. Wir – das sind: Andrea aus Baden-Baden, Kathrin aus Clausthal-Zellerfeld und Rosi aus Raitenbuch im Altmühtltal.

 

Für dieses Jahr hatten wir uns den Hochvogel ausgesucht – den „König der Allgäuer Alpen“. Diesen Beinamen hat er wirklich verdient, eindrucksvoll grenzt dieser markante Felsklotz die Allgäuer Alpen nach Süden zum  Lechtal ab. Und den Namen Hochvogel trägt er nicht zu unrecht, denn wie ein Adler, der mit ausgebreiteten Flügeln zum Start ansetzt, so wirkt das Bergmassiv für den Betrachter aus dem Norden – übrigens sehr schön zu betrachten bei der Anfahrt über die Oberjoch-Paßstraße von der Aussichtskanzel im oberen Teil der Strecke.

Obwohl wir von vielen Seiten gehört haben, dass der Berg zu überlaufen ist, wollten wir die Tour machen. Nicht nur immer von anderen Gipfeln zum Hochvogel schauen – sondern auch mal umgekehrt. Und wenn wirklich viel los ist auf dem Berg, dann gehört das halt dazu – ein anderes mal suchen wir uns dann eine Route mit mehr Einsamkeit. Aber dieser Begriff ist im Allgäu ja sowieso relativ – Bergeinsamkeit  gibt es dort eigentlich nicht mehr.

 

Schnell war geplant und organisiert, Kathrin reservierte ein Zimmer in Bad Oberdorf mit einem tollen Frühstück zu einem ansprechenden Preis. Dann konnte die Tour bereits losgehen.

Am Freitag den 22. September 2000 kam Kathrin zu mir nach Raitenbuch und stellte ihr Auto in der Garage unter – dann fuhren wir weiter Richtung Allgäu. In Bad Oberdorf trafen wir uns mit Andrea, die aus Baden-Baden direkt gefahren ist. Als Erstes wurden die Rucksäcke noch mal umgepackt und sortiert, schließlich wollten wir manche Dinge nicht in dreifacher Ausführung mittragen – und unser Proviant wurde nach persönlichen Vorlieben gewählt und verteilt.

Schnell noch kontrollieren, ob Kathrin wieder ihr 400-gr-Filetiermesser dabei hat – das muß ja nicht sein. Die Arme wollte sich für jedes Teil im Rucksack rechtfertigen – aber so streng sind wir doch gar nicht.

 

Dann ging es noch zu einem netten Abendessen in den „Hirschen“ nach nebenan. Zwiebelrostbraten und Bodenseefelchen schmeckten ausgezeichnet und wir hatten beste Laune, als wir wieder in die Pension gingen. Man merkt, wir sind im ländlich-sittlichen Bayern: vor der Drogerie steht ein Verkaufsregal mit Tuben und Flaschen – und scheinbar kommt da über Nacht nicht mal was weg.

 

Am nächsten Morgen nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir zum Parkplatz nach Hinterstein – mit Gästekarte ist dieser kostenlos – und merken erst mal, wie beliebt diese Gegend an einem schönen Wochenende ist. Bereits um 9.00 Uhr ist der Parkplatz ziemlich voll und immer noch kommen weitere Fahrzeuge dazu. Wir steigen in den Bus zum Giebelhaus, auf der Privatstraße dorthin sind Autos verboten, zu Fuß wollten wir uns den Weg von ca. 2 Geh-Stunden auf Asphalt nicht antun und bezahlen halt DM 5,50 für die einfache Fahrt. Durch eine eindrucksvolle Landschaft geht es los – es kommen uns Gedanken an Kanada in dem weiten Tal mit einem breiten, wild schäumenden Bach.

 

Kurz vor 10 Uhr sind wir am Giebelhaus(1060 mtr.) , einem idyllisch gelegenen Gasthaus mit dem besten Apfelstrudel der Gegend – aber den sparen wir uns für die Rückkehr auf und gehen gleich los auf einem Asphaltweg ins Tal. Nach einiger Zeit kommt ein Abzweig durch das romantische „Bärgündele“, vorbei an Wasserfällen, meist schattig unter hohen Laubbäumen, die bereits ein buntes Blätterkleid angelegt haben. Und bald darauf kommen wir an die obere Bärgündele-Alpe auf 1476 mtr., die sich für eine Erfrischung oder einen kleinen Imbiss anbietet.

Wir nehmen uns  dafür jedoch keine Zeit,  denn in gar nicht weiter Ferne, hoch über einem etwas steileren Weg sehen wir bereits die Dächer des Prinz-Luitpold-Hauses. Auf einem steinigen, aber gut zu gehenden Weg geht es immer weiter nach oben, über ein paar kleine Bäche und in kurzen Kehren. Gerne bleiben wir stehen, um das Panorama hinter uns immer wieder zu betrachten. In der Woche vorher war ein Wetterumschwung mit Neuschnee bis auf unter 2000 mtr. Höhe, und so sehen wir ein weißes Dach über satt grünen Wiesen – und dazu ein traumhaftes Herbstwetter mit viel Sonne und Licht.

Die Kehren werden immer enger, über die steinige Wegstrecke kommen wir schnell höher und haben bald das Prinz-Luitpold-Haus auf 1846 mtr. erreicht. Wir haben gerade mal 3 Stunden gebraucht und es ist noch nicht mal 13.00 Uhr, als erstes kümmern wir uns um die Lagervergabe – der Wirt erzählt uns, dass in dieser Nacht sein Haus überfüllt sein wird und so geben wir uns zufrieden mit den 3 schmalen Lagerplätzen  auf einer Stockpritsche, neben uns liegt die Kletterausrüstung von 2 Leuten auf dem Lager – ich nehme freiwillig den Schlafplatz neben den „Eisenmännern“ – in der Hoffnung, dass ich da keine schnarchenden Typen erwische.

Kaum haben wir unsere Sachen verstaut und das Lager belegt, geht es erst mal auf die Sonnenterrasse mit einer Apfelschorle und dem Bergsteiger-Essen – Erbseneintopf mit Wurst – ich glaube das ist Standard auf allen Hütten der Alpen. Aber es schmeckt bestens und bald sitzen wir fachsimpelnd bei einer Gruppe Männer, die unglücklicherweise wegen dem vielen Neuschnee heute den Hochvogel nicht erreichen konnten – und morgen müssen sie schon wieder heim.

Wir wollen es langsam angehen und machen an diesem Nachmittag nur noch eine kleine Tour hoch zum Sattel des Jubiläumsweges mit Blick ins Schwarzwassertal. Wir stapfen im oberen Stück durch sulzigen Schnee und Matsch und finden dann eine schöne trockene Stelle unterhalb der Sattelköpfe mit weitem Blick  nach Norden und Osten. Bei bestem Wetter sehen wir die Zugspitze aus den vielen Gipfeln hochragen. Die Sonne wärmt und gibt einen tollen Blick über das schneebedeckte Allgäu-Panorama im Süden und Westen. Bevor die Sonne hinter dem Grat verschwindet machen wir uns wieder an den Abstieg zum Prinz-Luitpold-Haus und sitzen dann bei einer zünftigen Brotzeit auf der sehr schattigen Terrasse. Es wird dunkel und gleichzeitig recht kühl, aber das macht nichts, dafür sehe ich den  tollsten Sternenhimmel, an den ich mit seit Jahren erinnern kann. Millionen von Sternen funkeln über uns – und wir sitzen bei der einen oder anderen Flasche Wein bis später Stunde am Tisch - wann haben wir das schon zuhause.

Die Nacht im Matrazenlager ist  wie so oft in den Berghütten,  in dem engen Raum schnarcht fast immer jemand und an Schlafen ist nicht viel zu denken. Zu meinem Glück, sind die „Eisenmänner“ verschwunden und die Lager wurden nicht mehr neu vergeben und so haben wir zumindest genügend Platz, um es uns auf der Pritsche bequem zu machen.

 

Früh morgens geht es recht schnell, aufstehen, zusammenpacken und schnell ein Frühstück. Es ist kein kulinarisches Highlight – 2 Scheiben Schwarzbrot mit Butter und Marmelade, ich begnüge mich gleich mit 2 Powerbars, und Kaffee dazu. Es ist schnell gegessen und um 8.00 Uhr sind wir fertig für den weiteren Aufstieg und stapfen auf dem Standardweg hoch Richtung Hochvogel. Bereits ab ca. 2000 mtr. Höhe müssen wir wieder durch den schweren Schnee und es kommt schon mal vor, dass wir auf eine kleine Eisplatte treffen, die langsam wieder antaut. Der ganze Weg ist nicht einfach, aufgrund des Neuschnees ist in den letzten Tagen niemand von der Allgäuer Seite aus auf den Hochvogel gekommen – der einzige Weg war über die Lechtaler Seite auf dem Bäumenheimer Weg, das ist jedoch ein zu weiter Umweg für uns, schließlich wollen wir am Abend noch heimfahren.

 

Lange überlegen wir und beobachten die paar anderen Leute, die mit uns unterwegs sind – wir beschließen nicht über die Kreuzspitze mit einer Drahtseilsicherung im oberen Abschnittzu gehen – sondern den Weg hinten rum, durch den „kalten Winkel“ zu nehmen. Auf diesem nordseitigem Kar liegt auch im Hochsommer noch Schnee, das stört uns nicht, da heute ja überall Schnee liegt – die wenigen Leute vor uns haben den Weg etwas ausgetreten, aber in dem nassen Schnee haben wir bald sehr durchfeuchtete Schuhe. Nach der Durchquerung des kalten Winkels sogar ein paar Schritte mit Einsatz der Hände – und da steht er nun vor uns schneebedeckt: der Hochvogel -  von dieser Seite aus heute noch keine Spur, die anderen Wanderer nehmen den langen Bäumenheimer Weg.

 

Da sitzen wir nun keine 300 Höhenmeter unter dem Gipfel und wollen es nicht glauben, dass er heute nichts für uns ist, die steilen, teils brüchigen Stufen ab der Kaltwinkelscharte sind mit Schnee und auch Eis bedeckt und wir sind nicht dafür gerüstet – wir denkt auch an so einen Wintereinbruch Anfang September. Aber unser Trost: der Hochvogel ist auch im nächsten Jahr noch da – und manche Wanderer, die wir getroffen haben, mussten in diesem Jahr schon zum zweiten Mal unverrichteter Dinge wieder abziehen.

 

Wir machen uns schnell an den Rückweg – irgendwie sind wir trotzdem enttäuscht – da ist man schon so nahe dran und es ist doch nichts, was soll's – in diesem Jahr haben auch schon „größere“ Bergsteiger ihre gesetzten Ziele nicht erreicht. Schnell sind wir wieder unten am Prinz-Luitpold-Haus und nach einer erfrischenden Apfelschorle auf der Terrasse machen wir uns auf den Weg zurück zum Giebelhaus.

Schnell verlieren wir an Höhe und machen erst mal eine kleine Pause bei der Bärgündele Alpe – nochmals können wir unseren Blick über das Bergpanorama schweifen lassen und bald sind wir wieder auf dem sich lange hin ziehenden Asphalt-Weg.

Mit uns sind an diesem wunderschönen Herbst-Sonntag viele Wanderer unterwegs und auf den breiteren Wegen Unmengen von Mountain-Bikern. Ein Glück, dass in diesem Wanderpardies die Autos keinen Zutritt haben, so müssen wir nicht auf den Verkehr achten und kommen gegen 14.00 Uhr bereits an das Giebelhaus. Dort ist ein großer Auftrieb von Wanderern und Mountain-Bikern – gerade, dass wir noch 3 Plätze finden für unsere Mittagsrast. Irgendwie sind wir in Gedanken immer noch auf dem Berg und sind so auch etwas geschockt von dem Menschenauflauf.

 Mit dem Bus geht es wieder zurück zum Parkplatz – ganz Hinterstein ist zugeparkt von Sonntagsausflüglern aus dem Schwäbischen. Wir beeilen uns, damit wir vor dieser Blechlawine über die Jochstraße zur Autobahn kommen. Ein letzter Blick zurück in die Berge an der Aussichtsstelle am Oberjoch – dann trennen sich unsere Wege, Andrea fährt wieder nach Baden-Baden und wir müssen noch bis ins Altmühltal. Das Glück ist uns hold und wir kommen ohne Stau und Probleme bereits nach gut 3 Stunden um 19.00Uhr zuhause an.

 Es war leider ein kurzes Bergwochenende – aber wir planen bereits für das nächste Jahr.

Und den Hochvogel werden wir nicht aus den Augen verlieren.

 

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