Durch die schottischen Highlands - oder: Wo gibt’s denn hier Benzin?
22.Mai bis 29. Mai 2001
Schon
lange hatte ich wieder Lust darauf, mit dem Rucksack durch weite Natur zu
wandern und das Ganze müsste möglichst billig und schnell zu erreichen sein. Ich
musste nicht lange im Web stöbern und hatte bald ein Ziel vor Augen: Schottland
sollte es sein.
Nachdem ich mich auf verschiedenen Internet-Seiten informiert hatte und immer wieder vom
West Highland Way las, guckte ich mir das näher an. Ich brauchte nicht lange zu
überreden und schon war auch Kathrin aus Clausthal-Zellerfeld im Harz von der
Idee begeistert.Aber bald stellten wir fest, dass der ganze West Highland Way nicht das war, was wir suchten, die
langen Wanderungen durch die schottischen Lowlands von Glasgow in den Norden
waren uns nicht „spektakulär“ genug – zu viele Orte, Menschen, Straßen
– das war es nicht, damit wollten wir die knappe Urlaubszeit nicht verbringen.
Weil es möglichst preiswert sein sollte, buchten wir bei der RyanAir, die
von Hahn im Hunsrück (ca. 70 km westlich Frankfurt) täglich nach Prestwick bei
Glasgow fliegen.
Wir wollten die Wander-Tour möglichst unabhängig und autark
gestalten und planten deshalb auch den gesamten Proviant für eine Woche
mit in die Rucksäcke zu packen. Ansonsten nur das Nötigste und dazu noch vernünftige
Schlechtwetterausrüstung, wie Handschuhe,
Goretex-Gamaschen, sowie Erste-Hilfe-Set und Notwerkzeug.
Die Zeit vergeht im Flug und am Montag den 22. Mai 2001 abends reist Kathrin bei
mir an, wir packen noch unsere Sachen, legen das Eine oder Andere zur Seite –
Gewichtstuning oder so ähnlich nennt man das – und haben schließlich 2 prall
gefüllte Rucksäcke mit je 20 kg zusammen, da fehlt nun nur noch das Wasser und
das Benzin für die Tour.
22.05.2001
Schnell
haben wir eingecheckt – die Bordkarte ist eine einlaminierte Karte (jedes
Flugziel hat eine andere Farbe) und wird später wieder eingesammelt. Wir sitzen
noch eine Stunde und dann rollt – unerwartet mit Verspätung -
die Boing 737 der RyanAir vor der Halle aus – eine kleine Maschine,
bunt bemalt und dazu die Aufschrift: „Are your ready to go?“ – sollen wir
wohl nach Glasgow laufen, ist dies das Geheimnis der niedrigen Preise? – Wir
machen unsere Witze und nachdem die Passagiere aus Glasgow den Flieger verlassen
haben, dürfen wir bereits über das Rollfeld gehen und einsteigen. Freie
Sitzplatzwahl – wer zuerst kommt mahlt zuerst - kann auch nicht schlechter
sein, als wenn man sich über die zugeteilten Plätze ärgert.
Etwas
unpünktlich geht es los, ich gucke schon auf die Uhr, ob meine Anschlusspläne
so zu schaffen sind – Kaffee/Tee an Bord kostet 1,50 Pfund –
und nach 2 Stunden sind wir dann auf dem Landeanflug in Glasgow-Prestwick.
Auch hier ist alles sehr übersichtlich, wir laufen vom Rollfeld durch eine
Halle, bekommen ruckzuck unser Gepäck und sind im Nu draußen vor dem Gebäude.
Da steht auch schon der Bus für 50 Cent in die Stadt – der fährt aber über
alle Dörfer und braucht 90 Minuten – normalerweise kein Problem, aber unser
Anschlussbus geht bereits in 80
Minuten. Durch diese Verspätung sind die Pläne etwas durcheinander – wir
nehmen wenig später den X77-Express-Buss (kostet 3,50 Pfund) und sind nach 30
Minuten auf dem Busbahnhof an der Buchanan Street. Wir haben genügend Zeit
unsere Buskarten für die Tour nach Norden zu kaufen – aber ein anderer
Programmpunkt fällt der Verspätung zum Opfer:
Da
ich gehört habe, dass es nicht einfach ist, Benzin für den Kocher in Glasqow
zu bekommen, hatte ich vorher per E-Mail Kontakt aufgenommen mit Bill Paterson
vom Laden ADVENTURE1 in der Dundas Street 38 (2 Querstraßen hinter dem
Busbahnhof) um mir sicher zu sein, dass wir den Treibstoff für unseren Primus
schnell erhalten können – kein Problem, Bill hat Coleman Fuel „in stock“
und schickte mir eine Wegbeschreibung mit Skizze und dem Hinweis, dass sein
Laden um 17.15 Uhr schließt. Nicht nur der Laden von Bill – fast alle Geschäfte
in der Innenstadt von Glasgow schließen um diese Zeit – und das in einer
quirligen Metropole. Als wir am Busbahnhof ankommen ist es jedoch schon
17.20 Uhr und so fahren wir „trocken“ mit dem Citylink um 18.00 Uhr
nach Norden.
Kingshouse
Hotel im Abendlicht
Bei
strahlendem Sonnenschein steigen wir gegen 20.30 Uhr aus dem Bus aus, vor uns
das weite Hochmoor und dazwischen nur das bereits seit Jahrhunderten bestehende Kingshouse Hotel und seine Nebengebäude. Direkt dahinter auf einer kleinen
Wiese am Fluss stehen bereits ca. 10 Zelte – wir suchen uns eine Stelle etwas
abseits und bauen unser Zelt auf.
Unser
Blick zum Guinness
Ich
hatte von zuhause einen Beutel mit britischem Kleingeld dabei, was bei uns im
Betrieb halt so in den Automaten landet. Der Beutel macht ca. 10 Pfund (Wert)
aus und wiegt fast ein Pfund (Gewicht), bestens für die ersten Bierchen –
dachte ich. Leider stellt sich heraus, dass die ganzen 5 Pence-Stücke gar nicht
mehr gültig sind. Immerhin 6 oder 7 Pfund des Inhalts sind noch was wert –
aber der schwere Rest ist nur noch unnötiges Gewicht. Ich gucke den jungen
Barkeeper an und frage ob er das Zeug haben will: For your Children? – ganz
verdutzt schaut er mich an und steckt den Beutel weg, bis der Jüngling mal
Kinder hat, sind das schon bald Raritäten. Grinsend und zufrieden mit dem
Beginn unserer Tour sitzen wir bei leuchtendem Sonnenuntergang um 22.00 Uhr vor
dem Hotel und genießen unser Bier – bei 2,20 Pfund für ein Glas (ca. 8,00
DM) muß es aber auch gut schmecken.
23.05.2001
Zeltplatz am
Morgen
Es
dauert nicht lange, da habe ich einen jungen Engländer beim Köcheln entdeckt,
wieder gibt es ein nettes Gespräch während er unser Wasser heiß macht. Ich
finde Outdoor-Küche auf diese Weise ganz praktisch – ist das auch
Gewichtstuning, wenn ich kein Benzin schleppen muß?
Müsli
essen, Aufräumen, Zusammenpacken – und gegen 8.00 Uhr sind wir unterwegs zu
unserer ersten Tagesetappe. Wegen der Foot- and Mouth (Maul- und Klauenseuche)
ist eine Weide gesperrt und wir laufen ein paar Kilometer links davon am Rand
der Straße, die aber zum Glück um diese Uhrzeit kaum befahren ist. Bald kommen
wir nach Altnafead – der Ort besteht nur aus einigen Schafställen und einem
Haus, am Straßenrand liegt ein totes Schaf – scheinbar stört das niemanden.
Und hier zweigt der Weg ab auf die „Devil`s Staircase“ – ist aber nicht so
schlimm, wie es sich anhört, in leichten Serpentinen führt der Weg von ca.
300m Höhe auf 550m. Bereits nach einem kurzen Stück haben wir beim Blick zurück
eine schöne Sicht entlang der Straße
ins Glen Coe – das Tal ist sehr malerisch, leider auch sehr touristisch,
bereits um diese Uhrzeit sind die Parkplätze am Straßenrand voll geparkt. Die
meisten Leute sind Bergwanderer und wollen auf den einen oder anderen
„Munro“ steigen. Munro ist die Bezeichnung für Berge, die eine Höhe von
mindestens 3000 Fuß haben (knapp 1000 mtr.) – das hört sich nicht besonders
hoch an, aber es geht hier in Schottland bei vielen Munros fast auf Meereshöhe
los und die Flanken sind meist sehr schroff und steil.
In den Marmores
oberhalb der Devil's Staircase
Unterwegs
kommen uns zwei Wanderer immer schneller nach, die beiden laufen förmlich den
Berg hoch und dabei hat einer von Ihnen riesige Gummistiefel an, die ihm fast
bis zu den Knien reichen. Verwundert gucken wir ihnen nach – später stellen
wir fest, dass die Jungs im nächsten Quertal eine Baustelle an einer Furt
betreuen, jetzt stehen sie im Bach und schleppen Steine.
Bald
haben wir die höchste Stelle des Weges erreicht und machen eine Pause – bei
einem angenehmen Wind und strahlendem Sonnenschein betrachten wir das Panorama
der Munros und sonstiger Hügel - da kommen mehrere Jets der britischen
Luftwaffe aus dem Glen Coe geflogen und drehen tief unter uns im Tal ihre
Schleifen und fliegen hin und her, die Szene hat etwas Irreales – wie Fledermäuse
von oben.
Eine der
vielen Holzbrücken am Weg
Durch
ein weites Hochtal und auf langgezogenen Schotterwegen – ehemalige Militärwege
- laufen wir weiter nach Norden. Bald spüren wir ein milderes Klima, über
satte Grashänge mit Birken,
Ginster und vielen zarten Blumen geht
es langsam auf Kinlochleven am Meeresarm Loch Leven zu. Vorbei an der
Bergstation des Wasserkraftwerkes, das den Ort und ein Aluminiumwerk mit Strom
versorgt, laufen wir weiter auf den Schotterwegen runter zum Ort – ein Abstieg
bis auf Meereshöhe, wir spüren die Anstrengung bereits in den Beinen, der
Rucksack hängt schwer und ungewohnt im Rücken und wir sind froh als wir gegen
13.00 Uhr im Ort ankommen. Nach etwa 16 km haben wir das heutige Ziel erreicht.
Der
erste Weg führt uns auf der Suche nach Benzin in den Supermarkt –
Fehlanzeige. Gegenüber ist ein Haushaltswaren- und Campingladen – der hat
aber an diesem Tag ausnahmsweise geschlossen, Aber kein Problem, im Supermarkt
erfahre ich, dass sich am Ortsende eine Tankstelle befindet. Wir müssen sowieso
in die Richtung, am Ende des Loch Leven mit tollem Blick in den Fjord ist die
Campingwiese des MacDonald Hotels.
Gleich
nach dem Zeltaufstellen gehe ich mit meiner Benzinflasche los – I`m walking
– die Tankstelle sieht etwas verlassen aus, ist gerade geschlossen. Also gut
zurück zum Campground, ich frage mich im Hotel durch und erfahre, dass die Tankstelle bereits seit Februar
geschlossen ist – und der Hotelbesitzer hat nur ein Dieselauto – und außerdem
hätten die Autos alle einen Sicherheitsverschluß am Tank – Fehlanzeige.
Zurück
auf der Zeltwiese stehen wir etwas ratlos rum, bis wir bemerken, dass nebenan
eine Grundschule ist. Also ein neuer Versuch, wir gehen ins Sekretariat und
fragen nach dem Chemielabor – die Dame bringt uns zu Mr. Fish
und der nette ältere Herr hört sich unser Problem geduldig an. Mr. Fish
verschwindet kurz im Nebenraum und kommt mit einer Flasche mit der Aufschrift
„Petrol“ zurück – nach einer kurzen Riechprobe füllt er den Inhalt in
unsere Benzin-Flasche, schade das es nicht mal 200 ml sind – aber das Mittag-
und Abendessen ist gerettet.
Nach
einer heißen Dusche und Faulenzen auf der Wiese sitzen wir auch heute abend
wieder bei einem Guinness vor der Bar. Es ist bis spät in den Abend taghell –
dabei liegt diese Gegend hier gerade mal auf dem Breitengrad der Nordspitze Dänemarks.
24.05.2001
Nach
einer ruhigen Nacht stehen wir heute erst um 7.00 Uhr auf – den Cappuccino
„kochen“ wir mit dem Heißwasser aus der Dusche, das Benzin von Mr. Fish
haben wir gestern mit Bannock backen und Ungarntopf verprasst. Auch gut –
schließlich geht es gleich zu Beginn einen steilen Anstieg mit ca. 250 Hm hoch,
ist ja praktisch, dass ich keine schwere Benzinflasche schleppen muss. Die Rucksäcke
drücken uns immer noch auf der Hüfte, aber ich habe schon ein besseres Gefühl
für das Gewicht und wir kommen gut voran. Bald haben wir einen schönen Blick
runter zum Loch Leven, die Hänge sind grün und bewachsen von Birken und
leuchtend gelbem Ginster – das milde Klima wird durch den Golfstrom begünstigt.
Bei bestem Wetter - Sonnenschein und ein leichter Wind, wandern wir das
breite Hochtal entlang. Weit verstreut grasen Hunderte von Schafen -
zottelige Blackheads, sehr viele Muttertiere mit kleinen Lämmern und außer
zwei Hausruinen gibt es über viele Kilometer nur weite Natur. Die Einsamkeit
hat aber plötzlich ein Ende, als uns eine Schulklasse und viele Männergruppen
aus allen Richtungen entgegenkommen – ist denn hier schon Vatertag?
Auf dem Weg nach
Ft. William
Nach
weiteren 6 km auf den alten Militärwegen immer so auf ca. 300 mtr. Höhe kommen
wir zu einem Wäldchen mit Ausflugsparkplatz und Blick runter zu einem kleinen
See – ab hier ist es laut unserem Wanderführer „ganz einfach“, jedoch
nach nunmehr bereits 14 km in den Beinen geht es einige Male im Wald 100 Hm hoch
und wieder runter und es ist einfach kein Ende abzusehen. Manchmal ist der Blick
frei zum Ben Nevis – wuchtig, teils schneebedeckt steht der höchste Berg der
britischen Insel mit 1344 mtr. vor uns und keine Wolken um den Gipfel, dass ist
gar nicht so selbstverständlich – soll im Jahr nur an durchschnittlich 80
Tagen vorkommen. Nach weiteren 3 Km über schottrige Forstwege geht es endlich
bergab zum Glen-Nevis-Campground, eine schöne Anlage mit vielen Wohnmobilen,
aber die große Zeltwiese ist etwas abseits hinter Bäumen, dass wir uns gleich
wohl fühlen. Wir sind nun heute ca. 22 km gelaufen und freuen uns schon auf
unser Mittagessen.
Eines von
vielen Vieh-Gattern
Im
Shop gibt es nicht nur Coelman-Fuel zu Apothekerpreisen (1/2 Liter für ca. 4,50
Pfund = ca. 15,-- DM) sondern sogar jede Art von Gaskartuschen. Nun habe ich
sogar die Auswahl für meinen Primus Multifuel – ich kaufe das Benzin, schließlich
schleppe ich nun schon lange genug eine leere Benzinflasche mit. Nun ist
scheinbar Schluss mit meinem Gewichtstuning – und einen Grund, um die Leute
anzuquatschen habe ich auch nicht mehr.
Frisch
geduscht, satt und zufrieden sitzen wir bei einem Früchtetee vor unserem Zelt
– aber nicht lange. Ab ca. 21.00 Uhr kommen die ganz kleinen und gemeinen Mücken
und wir sehen nur noch einen einzigen Fluchtweg: das Pub für ein
obligatorisches Bier.
25.05.2001
Aufstehen
gegen 7.30 Uhr, die kleinen Griebelmücken sind auch bereits da – das Wetter
hat umgeschlagen, es ist bewölkt und die Flanken des Ben Nevis zieht ein
Hochnebel entlang.
Der
Kocher will nicht und spuckt nur noch rum – war wohl das Benzin vom Mr. Fish
nicht mehr so toll. Kocherreinigen und dann Frühstücken, Abbauen und
Fertigmachen, dann können wir um 10.00 Uhr loslaufen.
Foot- and
Mouth-Desinfektion der Schuhe am Weg
Erst
mal gehen wir etwa eine Stunde am Ufer des Nevis entlang, obwohl auch die Straße
durch das Tal führt ist es sehr ruhig und wir hören nichts außer dem Plätschern
des Wassers.
Dann
wird das Tal enger und wir müssen eine weitere Stunde auf Asphalt laufen. Es
ist recht unangenehm neben den Autos auf dem Weg zum Parkplatz und die Blasen an
den Zehen drücken. Doch der angenehmere Teil des Weges folgt nun, wir
steigen über Steingewirr auf einem engen Weg im Birkenwald und an
kleinen Wasserfällen vorbei immer höher bis sich das Tal lichtet und wir auf
einer wunderschönen Hochwiese umrahmt von felsigen Bergen (Munros vielleicht?)
direkt vor einem ca. 50 Meter hohen Wasserfall stehen. Einige der Tagesausflügler
vom Parkplatz unten sind auch auf dieser Wiese und am Fluss entlang verstreut,
aber als es nach einer gemütlichen Pause weiter
am Ufer des Nevis entlang geht, sehen wir keinen Menschen mehr.
Wasserfall
im oberen Glen Nevis
Wir
gehen auf gut ersichtlichen Wegen leicht ansteigend immer am Ufer entlang, das
Tal ist sehr weit, links und rechts
sehen wir die Bergspitzen manchmal mit Schnee bedeckt. Gegen 15.00 Uhr machen
wir Pause an einem kleinen Bach zum Wasser
pumpen, Essen kochen und Teetrinken. Nun fängt es an zu regnen. Es ist ein
weicher Regen, der uns eigentlich nicht stört.
Bachdurchquerung
In
den nächsten 2 Stunden laufen wir bei Regen und der Weg wird immer undeutlicher
und moorig. Im Zickzack laufen wir weiter, hüpfen über kleine Bäche, stehen
plötzlich vor Wasserlöchern und weichen Sumpfwiesen aus, in denen wir ohne
Vorwarnung bis zu den Knöcheln einsinken. Der Weg ist wieder beschwerlicher und
wir sind froh als wir gegen 18.00 Uhr weit
vor uns das Dach der Meanach Bothy – unserem Tagesziel entdecken. Der Weg
liegt nun auf ca. 360 Mtr. Höhe, die höchste Stelle des Tages war bei ca. 400
Hm.
Der
Regen hat aufgehört, der leichte Wind wird frischer und an allen Bergen um uns herum hängen tiefe Wolkenschleier
– im Osten weit hinten im Tal sehen wir die Sonne strahlen.
Glen
Nevis
Wir
haben den Nevis nun hinter uns gelassen und sind bereits am Ufer des Abhainn
Rath. Nach einer weiteren halben Stunde Moor-Springen sind wir an der Bothy und
gucken uns erst mal um. Drinnen sind 3 englische Ladies und 3 junge Deutsche –
irgendwie kommt uns die Hütte richtig überfüllt vor und wir stellen erst mal
am Bach unser Zelt auf.
Während
wir in der Hütte unser Abendessen kochen unterhalten wir uns mit den Leuten,
das übliche Woher und Wohin – und erfahren, dass auch diese Deutschen sind
mit der Ryanair geflogen sind.
Während
wir unser Wasser pumpen – es dauert ganz schön bis 6 Liter in den Beuteln und
Flaschen sind, gucken wir uns die Berge und das schöne Spiel der Wolken an –
aber bereits um 22.00 Uhr sind wir rechtschaffen müde und es zieht uns in unser
Zelt, obwohl es noch sehr hell ist. Wir waren heute 9 Stunden unterwegs und
haben 21 km geschafft – die vielen Pausen und der schlechte Weg macht sich
bemerkbar.
26.05.2001
Fast
die ganze Nacht hat der Regen aufs Zelt geprasselt und der Wind blies kühl
dagegen – aber mein leichter Daunenschlafsack ist mir viel zu warm, ich nehm
den nur als Decke.
Gegen
7.30 Uhr stehen wir auf, alle Leute in der Bothy schlafen noch. Ich räume leise
zusammen, aber gegen 8.00 Uhr faucht der Multifuel los und weckt hoffentlich
nicht alles auf. Nach einem leckeren Frühstück räumen wir den Platz für die
anderen und sind um 9.00 Uhr zum Abmarsch fertig.
Es
geht wieder 2 km durch das Moor – der gleiche sumpfige Weg, wie am Vortag.
Dann wird der Pfad wieder besser, sanft absteigend gehen wir am Fluss entlang,
mit vielen kleinen Wasserfällen, ausgewaschenem Gestein, Birken und Blumen am
Ufer. Die Sonne strahlt vom Himmel und die Steine glitzern im Fluss. Wir lassen
uns viel Zeit und kommen nach 2 Stunden langsam zum Südende des Loch Traig. Wir
treffen ein paar Angler, eine Gruppe von Leuten sind auf einem Tagesausflug
unterwegs – alle sind sehr freundlich, die Briten grüßen nicht nur beim
Vorbeigehen, es kommt meist noch eine Frage nach dem Befinden oder so. „Hi,
it’s a glorious day“ – schmettert mir eine ältere Dame entgegen.
Langsam
geht es an einer Bahnlinie entlang ca. 150 Hm höher ins Moor – einem Ausläufer
des Rannoch Moor. Die Berge sind weit zurück getreten, die Landschaft ist mit
dunklem Heidekraut bewachsen. Obwohl eintönig ist es wohltuend hier einfach nur
dem Pfad nachzugehen. Auf oft matschigem Weg laufen wir ca. 6 km weiter und
sehen dann in der Ferne zwei oder drei Gebäude und ein paar Bäume an der
Corrour Bahnstation. Weit und breit nur Hochmoor und dazwischen diese
leuchtendweißen Häuschen, irgendwie surreal wirkt die Szene auf uns.
Hochmoor kurz
vor dem Bahnhof
Hier
treffen wir gegen 14.30 Uhr nach 13 km am heutigen Tag ein und schauen erst mal
auf den Fahrplan, der nächste Zug (einer von nur drei am Tag) kommt um 15.47
Uhr – und am nächsten Tag – am Sonntag – gibt es nur den 15.47 Uhr-Zug.
Wir sind etwas ratlos, jetzt gleich wieder zurück nach Ft. William ist uns
eigentlich zu früh, aber morgen der Zug deutlich zu spät. Wir könnten zwar in
der Gegend noch weiterlaufen, es gibt eine Militärstraße zum Loch Ossian und
von dort weiter zur Rannoch Bahnstation – von dort könnte man in einer oder 2
weiteren Tagestouren wieder zurück zum Kingshouse Hotel, aber wir wissen nicht
wie weit der Weg dorthin ist, meine Wanderkarte hört hier am Bahnhof auf.
Nach
kurzem Überlegen kochen wir uns erst mal am Bahnsteig unser Mittagessen,
unterhalten uns mit den Tagesausflüglern, die ebenfalls auf den Zug warten
- und beschließen dann heute noch nach Ft. William zu fahren, um morgen
noch die Gegend dort zu erkunden – und vielleicht auf den Ben Nevis zu gehen.
Der
Zug ist sehr voll und bringt uns in einer guten halben Stunde in die quirlige
Kleinstadt Ft. William. Erst mal gehen wir zur Tourist Info, dann geniesen wir
eine britische Nationalspeise – Fish and Chips – und danach wollen wir mit
dem Bus um 18.55 Uhr zum Campground fahren – es sind immerhin ca. 5 km dorthin
und das auf Asphalt mit vollem Rucksack. Als wir an der Bushaltestelle warten,
sagt uns eine Fahrerin, dass es diesen Bus schon seit einem Jahr nicht mehr gibt
– sehr sonderbar, dass alle Fahrpläne noch aushängen.
Scheinbar
haben wir im Anschluß daran sehr blöd geguckt – denn es spricht uns eine
Familie auf deutsch an, ob wir ein Problem haben. Wir unterhalten uns gut mit
den Deutschen, die seit 8 Jahren in Inverness wohnen und zu guter Letzt fahren
sie uns noch zum Campground am Fuße des Ben Nevis raus – wäre ein langer
Marsch am Abend geworden.
Wir
beziehen wieder unseren Platz auf der Wiese und gucken hoch zum Berg – das wäre
ein schöner Abschluß für morgen. Nach der Dusche und einem leckeren Mousse au
Chocolat treiben uns um 21.00 Uhr wieder die fiesen Griebelmücken in die Hände
des Pub-Besitzers – nach einem McEvans und einem langen und ereignisreichen
Tag geht’s um 22.30 Uhr ins stickige Zelt.
27.05.2001
Viel
Regen in der Nacht, um 7.00 Uhr werden wir wach, der Ben Nevis ist bis auf ca.
300 mtr. Höhe wolkenverhangen, es regnet bereits wieder. Hier auf der nassen
Wiese frühstücken – ne, wir laufen lieber die 5 km in die Stadt und gönnen
uns bei Safeway im Bistro ein englisches Frühstück mit Ei, Würstchen, Bohnen,
Ham und Kartoffelplätzchen – pappsatt laufen wir erst mal am Loch entlang,
dann Stadtbummel durch sämtliche Outdoor- und Whiskystores der Stadt – die
Auswahl ist riesig, aber die Preise
sind gesalzen. Die hochwertigen Whiskys kosten hier meist ca. 10 DM mehr als im
Versandhandel in Deutschland. Nach dem Mittagessen – Fish and Chips,
richtig – wollen wir zur Neptun’s Staircase.
Neptun's
Staircase
Wir
sitzen noch im Lokal, wann geht der Bus? Ich schaue in des Fahrplanheft und dann
auf die Uhr – und dann die Antwort: in 3 Minuten! Wir knallen alles in unsere
Plastiktüte, raus aus dem Laden und im Laufschritt joggen wir zur
Bushaltestelle. Mit uns gemeinsam fährt der Bus gerade vor, Glück gehabt.
Die
Neptun’s Staircase besteht aus 8 Schleusen direkt hintereinander auf dem
Caledonian Canal und dazu noch 2 Drehbrücken. Wir schauen zu, wie einige
Segelboote mühevoll von einer Schleusenkammer in die andere fahren und nach ca.
90 Minuten endlich freie Fahrt haben. Unterdessen unterhalten wir uns mit dem
Schleusenwärter, der uns allerlei Interessantes erzählt, die Fahrt auf dem
gesamten Caledonian Canal kostet für die Boote 50 Pfund pro Meter Schiffslänge
und dieses Permit gilt dann für eine Woche – ganz schön teuer der Spaß.
Im
Dauerregen gehen wir am Canal entlang weiter auf die andere Seite des Loch Eil
in den Ort Corpach – dort ist nicht viel los, im Hafen tümpeln ein paar Boote
und wir gehen in die einzige sonstige Sehenswürdigkeit: The Juwellry Treasure
– Gemstone Museum mit vielen wunderschönen Kristallen.
Der
Weg zurück nach Ft. William und dann zum Campground ist lang und der Regen wird
immer stärker. Die Hose ist komplett durchnässt als wir ankommen, wir duschen
und kochen dann im Dauerregen unsere Macceroni mit Tomatensauce. Auch heute
haben wir wieder einen Grund, um den Tag im Pub bei einem Bier ausklingen zu
lassen.
28.05.2001
Nach
dem Frühstück packen wir zusammen und laufen in die Stadt. Um 11.15 Uhr geht
unser Bus zurück nach Glasgow und so können wir vorher noch ein paar
Sandwiches und natürlich einen guten Whiskey kaufen – ist egal, dass er
teurer ist als zuhause, immerhin ein schönes Mitbringsel.
Der
Bus fährt entlang am Loch Linnhe zum Loch Leven und dann direkt durchs
geschichtsträchtige Glen Coe – die Gegend ist wunderschön, aber hier sind
Hunderte von Autos unterwegs und keine Ruhe zu spüren. Bald sind wir wieder
beim Kingshouse Hotel – der Kreis schließt sich und wir fahren im Regen den
uns schon bekannten Weg zurück nach Glasgow. Jetzt ist es gegen Mittag und wir
sehen sehr viele Wanderer am Rand des Tales zwischen Bridge of Orchy, Tyndrum
und Crailarich auf dem West Highland Way laufen. Wir wissen bereits, dass diese
Leute alle noch den schönsten Teil ihrer Tour vor sich haben.
Im
Tourist Info suchen wir nach einem Hostel in der Innenstadt, da unser Bus zum
Flugplatz bereits um 8.45 Uhr geht. Des Euro-Hostel liegt ca. 10 Minuten vom
Busbahnhof entfernt, direkt am River Clyde.
Wir
wollen noch etwas in die Stadt, aber auch heute haben die Geschäfte in der Fußgängerzone
bereits fast alle um 17.00 Uhr geschlossen. Ein starker Wind weht vom Clyde hoch
und wirbelt Plastiktüten durch die Straßen, wir entdecken ein Filmteam, dass
gerade Aufnahmen macht, nachdem wir uns vom Scriptgirl alles erklären lassen
betrachten wir uns den irrsinnigen Aufwand, den 17 Menschen (davon nur zwei
Schauspieler) für ein paar Szenen betreiben.
Ein
letztes Mal kochen wir unser Essen, mit dem Benzinkocher im Hostel – ich weiß
gar nicht ob das erlaubt ist. Und kaum ist das Wasser heiß, ist auch schon
wieder das Benzin alle – schon wieder sitzen wir in Glasgow und haben keinen
Sprit, dass kommt mir doch bekannt vor.
Duschen,
kurz ins Internetcafe des Hostels und dann noch eine Stunde mit Leuten aus allen
möglichen Nationen vor der Glotze, dann geht’s ab ins Bett. Der starke Wind
übertönt in der Nacht sogar die Geräusche vom nahen Bahnhof – wir haben gar
nicht das Gefühl in der Stadt zu sein.
29.05.2001
Nach
einem gemütlichen und reichhaltigen Frühstück (im Preis inbegriffen) laufen
wir zur Buchanan Street und fahren mit dem 50 Cent-Airbus zum Bahnhof. Die Fahrt
über alle Dörfer ist recht kurzweilig und ruckzuck sind wir am kleinen
Airport.
Der
Rückflug ist pünktlich und fast etwas zu schnell sind wir in Hahn und zurück
im Alltag.
Auch die deutschen Beamten scheinen Spaß zu verstehen, auf der Autobahn in der
Nähe des Hockenheimrings sehen wir vor einer langen Baustelle ein Schild: „Bitte
fahren Sie zügig – Sie verursachen einen Stau“.
Die Tour in die schottischen Highlands war nicht recht lange – aber eines ist
sicher: Ich komme wieder. Dieses Land hat mich bereits in seinen Bann gezogen.