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Auf dem Heilbronner Weg

23.09.1999 bis 26.09.1999

Blick vom Grat nach Nordost

Nach der großen Tour in Kanada im letzten Jahr erwandern wir diesen Herbst mal ganz gemächlich die Allgäuer Berge. Es wird wieder eine Frauentour - außer Andrea aus Baden-Baden und mir (Rosi aus Franken) ist nun auch noch Kathrin aus Clausthal-Zellerfeld mit von der Partie. Die Vorbereitung ist nicht allzu groß, schnell haben wir einen für uns drei geeigneten Termin vereinbart und am Nachmittag des 23.09. treffen wir uns nach einer Sternfahrt ins Allgäu bei Freunden von Kathrin in Isny.
Wir laden die Rucksäcke in mein Auto und nach einer schnellen Tasse Kaffee fahren wir weiter nach Oberstdorf. Kathrin hatte bereits für diese Nacht die Betten im Jugendhaus des Gasthofes Spielmannsau reserviert. Da der Weg von Oberstdorf dorthin nicht mit Privatautos befahren werden darf, vereinbarten wir einen Treffpunkt im Süden des Ortes um von dort mit dem Zubringerbus abgeholt zu werden. Der freundliche Fahrer zeigt uns schnell noch einen kostenfreien Parkplatz in der Nähe, wo wir das Auto für 3 Tage abstellen können - in Oberstdorf gibt es fast nichts umsonst und so sparen wir dadurch eine schöne Summe. Außer einigen Leuten im Gasthaus sind wir in der Jugendunterkunft die einzigen Gäste, wir genießen ein hervorragendes Abendessen und nach einem Bierchen geht es bald zur Ruhe für den morgigen Tag. Um 7.00 Uhr sind wir bereit zum reichhaltigen Frühstück - inbegriffen im Übernachtungspreis von etwa DM 27,00 - und bald danach werden die Rücksäcke noch einmal gepackt und die Stiefel geschnürt.

Freitagmorgen um 8.00 Uhr - nun geht's los! Bei klarem, blauen Himmel gehen wir ruhigen Schrittes auf dem Fahrweg bis sich das Tal verengt, die Sonne kommt bereits hinter den Bergen hervor und wir können uns langsam vorstellen, daß das ein heißer Tag werden wird. In leichten Serpentinen geht es taleinwärts Richtung Sperrbachtobel. Rechts von uns rauscht das Wasser, der Weg und die Pflanzen rundum sind noch naß vom Regen in der Nacht. Wir entdecken einen Alpensalamander - rabenschwarz glänzt seine Haut und nach kurzer Zeit läuft er ins nahe Gras und ist verschwunden. Es ist wohl nur ein Gerücht, daß das Wetter besser wird, wenn die "Bergmännle" bergauf laufen - aber wir freuen uns, daß er in diese Richtung will. Mit offenen Augen betrachten wir auf dem weiteren Weg die Gräser und Blumen und haben das Gefühl, daß nach der nächtlichen Dusche alles besondere Pracht zeigt. Die Kehren am Hang werden enger und bald schon sind wir an einer kleinen Marienkapelle an einer ausgesetzten Stelle mit einem schönen Blick Richtung Tal. Wir legen eine Pause ein - die Äpfel sind das Schwerste im Rucksack und müssen weg, genießen die Wärme und freuen uns über den schönen Beginn des Tages.
Beim gemütlichen Weiterlaufen kommen wir erstmals zum Lawinenrest des Sperrbachtobels und queren diesen, auch mit dem spärlichen Schneerest können wir uns gut vorstellen, welche Massen hier im Winter herunterkommen und dieser Weg deshalb dann gesperrt ist. Nach steten Aufwärts immer oberhalb der Schneereste mit dem Blick auf höhlenartige Auswaschungen im Tobel kommen wir nach einer Stunde an einen kleinen Bach, eine Gelegenheit zu einer kurzen Pause und den Schweiß von der Stirn zu waschen. Die Sonne brennt schon fest vom Himmel und ich bin dankbar für meine kurze Hose. Weit oberhalb von uns sehen wir hinter einer Kuppe ein Dach, es ist bereits die Kemptner Hütte - unser Tagesziel - auf 1846m am Hang unterhalb des Kratzers.
Nach einer weiteren Stunde sind wir bald bei der Hütte und geniesen auf der Terrasse, bei einem Radler und einer Erbsensuppe, den Blick über das Bergpanorama uns gegenüber von Fürschießer über Krottenspitzen zum Muttlerkopf. Um 14.00 Uhr beginnt die Lagervergabe und wir haben das Glück ein Vierbett-Zimmer für uns allein zu bekommen. Obwohl die Hütte 325 Plätze hat, wird sie an diesem wunderschönen Spätsommertag ziemlich voll. Der Nachmittag ist erst angebrochen und wir machen noch einen Spaziergang über Grasböden und durch ein leichtes Blockgewirr hoch zum Grat am Mädelejoch auf 1971m, betrachten uns die Vielfalt der Bergblumen und sehen im Süden weit unten das Tiroler Lechtal. Die Landesgrenze verläuft hier direkt über den Grad und wir amüsieren uns über des Hinweisschild "Grenzübergang - durchgehend geöffnet". Unter uns sehen wir klein die Kemptener Hütte und bis weit in den Norden können wir die Allgäuer Vorberge erkennen. Außer ab und zu ein Pfeifen von Murmeltieren hören wir kein Geräusch, so sitzen wir im Gras und lachen laut auf, als Kati, die immer etwas zu sagen hat, bemerkt: "Es ist so schön mit Euch in den Bergen zu schweigen".
Nach einem ausgiebigen Abendessen aus dem Rucksack, damit unsere Vorräte schneller schrumpfen, sitzen wir noch bei dem einen oder anderen Gläschen Wein in der Hütte und unterhalten uns mit den anderen Bergwanderern. Um 22.00 Uhr ist Hüttenruhe und so liegen auch wir bald im Schlafsack und freuen uns auf den nächsten Tag. Um 7.00 Uhr sitzen wir bereits beim kargen Frühstück im Gastraum (2 Scheiben Schwarzbrot, Butter und Marmelade, dazu Kaffee kosten DM 8,--). Es ist nichts tolles, aber wir drücken uns das Essen rein, damit wir nicht gleich wieder Hunger haben.

Wir packen unsere Sachen zusammen und gehen gegen 7.30 Uhr auf den uns bereits bekannten Weg hoch zum Joch. Die Sonne scheint wieder, der Himmel ist klar, aber mit zunehmender Höhe wird es windig und kälter. Immer entlang an der Südflanke des Kratzers wandern wir langsam höher und bald sehen wir vor uns die Lechtaler Berge. Bei einer kurzen Pause bei Powerbar und MochaMocha-Energiemix beobachten wir 20 Meter oberhalb von uns einen Steinbock - wir sind ganz aus dem Häuschen über den Anblick dieses für uns seltenen Tieres, aber im weiteren Verlauf des Weges werden wir noch eine ganze Menge davon sehen. Hier sind wir bereits so hoch, daß wir tief im Süden in sattem Grün das Lechtal sehen und weit im Nordosten die Berge Höfats und Hochvogel. Tief unten im Tal Richtung Oberstdorf entdecken wir eine geschlossene Nebeldecke, aber darüber machen wir uns noch keine Gedanken. Auf ziemlich ebenen Weg queren wir weiter die Schwarze Milz - immer den Blick zum Boden, hier soll es Bergkristalle geben. Vorbei am Schwarzmilzseelein - und hier sehen wir sogar eine der viel scheueren Gemsen, geht es langsam ansteigend zum Schwarzmilzferner, dem einzigen Gletscher der Allgäuer Alpen. Er hat zwar nichts von den imposanten Gletschern im Alpenhauptkamm, aber immerhin müssen wir ihn cirka 500 Meter lang auf dem sulzigen Schnee queren, bis wir wieder auf Fels und Geröll bei der Östlichen Bockkarscharte in 2522 Metern Höhe stoßen. Hier ist der eigentliche Beginn des Heilbronner Weges. Wir machen eine Pause, ich bin recht geschlaucht - ich hatte bei der letzten Pause nicht genügend gegessen oder getrunken und hatte die letzten 20 Minuten das Gefühl, daß mir die Kraft ausgeht - so richtig einen Hungerast. Trotzdem machen wir nur eine kurze Rast, da wir bemerken, daß der Nebel aus dem Norden bereits bis zum Grat hochsteigt.
Wir stehen auf dem Kamm, können jedoch in Richtung Bayern nur noch ein Nebelkissen sehen - nach Süden ist es sehr klar und sogar die Sonne scheint noch. Zu allem Überfluß fängt es nun an zu tröpfeln, hört aber bald wieder auf. Wir beratschlagen uns, befragen die Entgegenkommenden und überlegen, ob wir hier den direkten Abstieg zum Waltenberger Haus durch ein steiles Geröllfeld angehen sollen oder doch weiter auf dem Heilbronner Weg bis zur Rappenseehütte. Der weitere Steig hoch zum Bockkarkopf kommt uns recht eindrucksvoll vor, der Berg mit einer Höhe von 2609 m sieht aus unserer Perspektive aus wie ein Haifischzahn und wir entdecken viele Wanderer auf der drahtseilbewehrten Flanke. Wir beschließen doch über den Bockkarkopf weiter zu gehen. Der Pfad folgt den gestuften Felsen hoch zum Gipfel, teilweise sehr schmal angelegt. Aber wir sehen sowieso nicht wie steil es rechts von uns runter geht, da verschwindet alles im Nebel. Bald haben wir das Steilstück überwunden und sitzen auf dem Grenzstein am Gipfel, die Füße in Tirol, der Rücken in Bayern - dort gibt es außer Nebel nichts zu sehen. Im Süden ist es immer noch klar und so wird aus dem erhofften Rundblick eben nur ein Panorama-Bild.
Weiter geht es auf dem felsigen Grat zu einem Felsenriß. Auf dem schmalen Weg am Drahtseil wieder hoch zum geröllbedeckten Grat und zu einem glatten Wandabbruch. Über diesen in herausgesprengten Serpentinen zur Sockkarscharte, 2446 m. Hier merken wir, daß der Nebel weiter zugenommen hat und beschließen nun, nach der Hälfte des eigentlichen Heilbronner Weges an dieser Abzweigung doch den Abstieg zum Waltenberger Haus durch das steile Geröllfeld zu machen. Die Sicht beträgt keine 10 Meter und wir laufen und rutschen durch die unzähligen Serpentinen immer weiter talwärts. Unsere einzige Orientierung sind die roten Punkte an den Kehren und die Angabe auf meinem Höhenmesser. Der Regen hat uns wieder und irgendwann haben wir dann einen ebenen Weg an einem Drahtseil entlang, sehr schmal und glitschig vom Regen - aber immerhin mit Seil. Anhand des Höhenmessers müssten wir eigentlich bald an unserem Tagesziel sein, aber die Nebel nimmt uns weiterhin die Sicht, bis wir plötzlich 20 Meter vor uns ein kleines steingebautes Haus sehen - wir sind am Waltenberger Haus auf 2084 Meter Höhe.
Es ist jetzt gegen 14.00 Uhr und wir waren 6 ½ Stunden unterwegs. Bereits jetzt macht das Haus den Eindruck, daß es heute recht voll werden würde. Der Hüttenwirt zeigt uns unsere Lager unter dem Dach: "Mädla, I gib eich glei de erschten drei Platz da, und dann schaun'ma a mal was no kimmt". Wir stehen vor einem Matrazenlager mit ca. 4 Meter Breite und darauf liegen 8 Decken und Kissen. Wir gucken uns die Sache an und Kati schießt heraus mit den Worten: "Ich schlaf am liebsten neben der Wand". Ich sofort: "Und ich schließ mich an". Da hat Andrea leider den sauren Apfel und muß abwarten, wer wohl heute nacht neben Ihr liegen wird. Wir sortieren die naßen Klamotten, Trockenraum gibt es nicht, es gibt nur die Möglichkeit Trocknen am Körper oder über den Rucksack gelegt.
Und dann gehen wir erst mal zum Essen in die Gaststube, Nach dem langen Tag haben wir einen großen Durst und Hunger und die Schinkennudeln sind schnell gegessen. Es hat wieder aufgehört zu regnen und wir stehen vor dem Haus in einer Art Balkonlage mit einem wunderschönen Blick runter ins Tal. Alles ist sehr klar und später als es dunkler wird, sehen wir ein Lichtermeer dort unten, aber auch unser letztes Stück Weg von oben ist zu erkennen: Es ist an einer steilen Wand ein schmales Band direkt oberhalb des Steilhangs - vielleicht ist es manchmal besser, wenn man nicht alles sieht. Wir unterhalten uns gut mit den anderen Bergwanderern vor dem Haus und beginnen zusammen mit 3 Männern aus Braunschweig ein Picknick um deren und unsere Essensvorräte zu reduzieren. Bis spät in den Abend, es ist bereits Dunkel und sehr kalt sitzen wir bei einigen Flaschen Rotwein zusammen vor dem Haus und haben viel Spaß. Der Wirt holt die Gäste zusammen und gib einen Wetterbericht ab. Es ist keine Wetterbesserung abzusehen und so wissen wir, daß unsere Entscheidung ganz richtig war, das Ziel zu ändern. Auch hier gibt es wieder die Hüttenruhe um Punkt 22.00 Uhr. Bereits in der Gaststube sahen wir, daß hier bestimmt fast 100 Menschen die Nacht verbringen werden und es gibt nur eine Toilette für alle und nur Licht in der Stube und am Gang - alles andere wird mit Taschenlampen beleuchtet. Und so wandern viele Lichtkegel in die Lager und alle Leute machen es sich zurecht für die Nacht. Und was eintritt ist worst cause: Neben Andrea liegt eine Gruppe Männer aus Thüringen, die abwechselnd in schönster Tonlage schnarchen und der Chor dazu kommt von der anderen Seite des Schlafraumes. Die Nacht erscheint uns sehr lang, die Schlafpausen im Schnarchkonzert sind kurz und auf dem Dach das immerwährende Trommeln des Regens. So sind wir auch bereits vor 7.00 Uhr auf und packen unseren Rucksack fertig.
Das Frühstück ist auch hier nicht toll, und die Wettervorhersage des Wirtes ein weiterer Grund sehr schnell den Abstieg anzugehen. Aufgrund des starken Regens kommt sehr viel Wasser in den Bächen vom Berg herunter und an manchen Stellen sind diese bereits sehr angeschwollen und es kann nasse Füße geben - im Laufe des Vormittags werden die Wassermassen noch zunehmen. Das beherzigen wir und machen uns fertig, mit Gamaschen und Goretex-Jacke hinaus in den Dauerregen. Der Pfad ist mehr ein kleiner Bach der in engen Serpentinen den Berg hinunterrauscht. Wir platschen in die Pfützen und springen über die kleinen Bäche ohne Rücksicht auf die Nässe. Bald kommen wir durch einem mit Drahtseilen gesicherten Felsabbruch weiter Richtung Tal. Bereits in der Nähe des Talgrundes kommen wir an einen wasserfallartigen Bach, den wir überqueren müssen. An beiden Seiten von Felsblöcken gesäumt hat der Bach bereits eine Tief von cirka 1 Meter und ist an dieser Stelle etwa 2 Meter breit. Vor uns laufen bereits 2 Männer, klettern auf die Steinblöcke und springen dann auf die andere Seite. Wir freuen uns auf Hilfe und werfen erst mal die Rucksäcke und Stöcke auf die andere Seite, dann beherzt mit einem Riesensprung rüber und werden auch gleich aufgefangen von den Helfern.
Nun ist es nicht mehr so schwierig, sehr flott laufen wir entlang des aufgeweichten Pfades weiter Richtung Einödsbach. Der Regen macht uns schon nichts mehr aus, wir sind naß bis auf die Knochen - es zeigt sich, daß auch Goretex seine Grenzen hat. Kaum angekommen hören wir, daß der Zubringerbus in 20 Minuten in Birgsau bereits losfährt und so legen wir auf dem Asphaltfahrweg einen Spurt hin, daß wir nochmal richtig ins Schwitzen kommen. Mit vielen anderen, die wir vom Abend auf dem Waltenberger Haus schon kennen, stehen wir bald an der Bushaltestelle und warten auf unsere Fahrgelegenheit zum Autoabstellplatz. Ein driefendes und dampfendes Häuflein steigt in den Bus und nach einer kurzen Fahrt sind wir am Auto. Die nassen Klamotten runter, Heizung ein, Fenster auf weil alles beschlägt, und ab geht es Richtung Isny. Bei einem Blick auf die Uhr stellen wir fest, daß es gerade mal 11.30 Uhr ist.
Wir haben den Abstieg heute, besonders bei dem schlechten Wetter in einer sehr guten Zeit geschafft, aber da es nichts zu sehen gab, wollten wir einfach nur schnell vom Berg. Nach der obligatorischen Tasse Kaffee in Isny geht es los in den Wochenendstau Richtung Norden. Ich merke erst unterwegs, daß ich mir beim Sprung über den Tobel das rechte Außenband leicht gezerrt habe, aber was solls, der Schmerz ist in ein paar Tagen wieder vorbei - aber die Erinnerung an die schöne Tour mit vielen tollen Erlebnissen bleibt - und das Allgäu wird mich im nächsten Jahr wieder sehen.

 

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