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Schottland - alleine durch die nördlichen Highlands

04. bis 13. Mai 2004

Das Ziel ergab sich fast von selbst. Als Lohn-Sachbearbeiter kann ich nie zum Monatsende in Urlaub gehen. Mitte April hat meine Tochter Geburtstag und Mitte Juni mein Sohn - da blieb nur noch der Mai übrig. Und im Mai ist die beste Reisezeit für Schottland, mit RyanAir ist es auch noch günstig zu erreichen.

Beim letzten Schottland-Urlaub war ich in der Gegend rund um Ft. William und diesmal wollte ich weiter in den Norden, wollte etwas mehr Einsamkeit spüren. Die meisten Deutschen laufen dann von Kinlochewe in die Letterewe Wilderness. Da der WesterBus zu diesem Startort nur jeden zweiten Tag fährt und ich nicht einen Tag warten wollte, nahm ich als Beginn meiner Tour einfach einen Ort aus der Bustour für den anderen Tag: Poolewe, ein kleiner Küstenort ziemlich weit im Norden sollte mein Start in die Wildnis sein.

Am 04. Mai gegen Mittag fuhr ich gemütlich nach Hahn im Hunsrück zum kleinen Drehkreuz des irischen Billigfliegers RyanAir. Leider musste ich mit dem Auto fahren, da ich mit Bus und Bahn beim Rückflug nicht mehr weggekommen wäre. Nach ein paar Stunden Fahrt bin ich dort, das letzte Mal flog ich 2002 von hier nach Norwegen - und es hat sich schon wieder sehr viel getan auf dem Gelände, es wird gebaut und gearbeitet. Mit einem weinenden Auge stelle ich fest, dass es nun wirklich gar keine kostenlosen Parkplätze mehr gibt. Ich stelle mein Auto weiter draußen ab, wo ich nicht so sehr Angst haben muß, dass die vielen Menschen, die hier rumlaufen, etwas beschädigen - schließlich gibt es einen kostenlosen Shuttlebus, der mich direkt zum Terminal bringt.

Ich bin früh dran, kann dann bald einchecken und gucke mir noch alles auf dem Gelände an. Der Flieger nach London hat fast eine halbe Stunde Verspätung und so kann ich diesen nicht mal beim Start zusehen. Sehr pünktlich landet mein Flugzeug, welches mich dann nach Prestwick bei Glasgow bringen wird. Das Einsteigen geht sehr schnell und überpünktlich geht es um 18.35 Uhr los. 20 Minuten vor Plan landen wir bei leichtem Nieselregen um 20.05 Uhr Ortszeit in Schottland. Neben dem Flughafen-Gebäude liegt der Bahnhof und bald kommt der Zug, der mich in ca. 45 Minuten für 2,50 Pfund zur Central Station in Glasgow bringen wird.

Gegen 22. 00 Uhr kann ich dann im Euro-Hostel einchecken, vor mir war eine Gruppe von Schulkindern mit der Lehrern, da dauerte es etwas und war sehr laut - noch ein Cola im Aufenthaltsraum und dann verziehe ich mich in mein Bett im Dorm für 14 Personen.

 

05. Mai:

Um 7.30 Uhr sitze ich bereits beim Frühstück, welches hier im Preis eingeschlossen ist. Kaffee, Säfte, Milch, Toast mit Marmelade und Flakes bis zum Abwinken und dann packe ich noch mal den Rucksack um und laufe langsam los zur Buchanan Street. Dort hat der schottische Outdoor-Ausrüster Tiso einen großen Laden und ich will mir noch eine Gaskartusche kaufen, bevor ich zum Busbahnhof gehe.

Leider Pech gehabt, Tiso hat eigentlich ab 9.30 Uhr geöffnet - aber heute erst ab 10.00 Uhr wegen Mitarbeiterschulung, und um 10.00 Uhr geht bereits der Bus in den Norden. Macht auch nichts, ich habe in Ft. William eine gute Stunde Aufenthalt, da kann ich mir dann bei NeviSport am Bahnhof meine Kartusche kaufen.

Schnell ist der Bus draußen aus der Stadt und fährt am Ufer des Loch Lomond durch die Lowlands und dann später direkt in die Highlands durchs Rannoch Moor und durchs geschichtsträchtige Glen Coe. Gegen 13.00 Uhr bin ich in Ft. William. Leider hat NeviSport gerade keine Gaskartuschen da, ich gehe noch weiter die quirlige Fußgänger-Zone entlang bis zu „West Coast Outdoor“, dort werde ich fündig - und die Kartusche kostet kaum mehr als zuhause.

Jetzt noch leckere Fish&Chips in einem Lokal an der Hauptstrasse und dann geht’s schon bald mit dem nächsten Bus weiter nach Inverness. Dort hab ich nur eine Viertel Stunde Aufenthalt und kann gleich mit dem WesterBus weiter in den Norden fahren. Der Bus fährt raus aus dem Industrie-Örtchen, vorbei an Weideland und kommt langsam in die unbewohnten Gebiete im Norden, entlang der zerklüfteten Küste, durch kleine Fischerorte geht es immer weiter nach Norden und um 19.45 Uhr stehe ich endlich am Ausgangspunkt meiner Wanderung, am PostOffice von Poolewe.

Ich laufe gleich los, entlang eines anfangs geteerten Fahrwegs geht es in Richtung Süden. Die meiste Zeit geht es durch wildes Gestrüpp und moorigen Untergrund oder steiniges Gelände. Nach gut 4 km sehe ich eine erste Möglichkeit zum Zelten, jedoch direkt daneben am Gatter zur Letterewe Farm (Kernsary Estate) bemerke ich ein Schild „Hikers and HillClimber welcome“ - ich bin sehr optimistisch, dass ich auf dem Gelände unterkomme und laufe weiter. Es sind noch knapp 2 km, dann weitet sich ein Flusstal zu einem See, die Farm hat einige Weiden mit Kühen und Deers (Hirsche). Ich suche jemanden auf dem Gelände und frage, ob ich irgendwo das Zelt aufstellen kann. Die Farmerin antwortet etwas mürrisch, ich kann mir einen Platz außer Sichtweite des Hauses suchen. Nachher treffe ich noch den Farmer, der will mich sogar noch zwei km weiter in ein hier beginnendes Wäldchen schicken. Es ist jetzt bereits 21.00 Uhr, auf meiner Karte sehe ich keinen Bach im Wald und so gehe ich ca. 500 mtr am Flussufer entlang, bis ich das Farmgelände verlassen habe und stelle dort, direkt hinter einem Schild der Wilderness-Verwaltung „No Camping, No littering“ auf einer schönen ebenen Stelle direkt am Fluss mein Zelt auf. Nach dem Einräumen und Kochen mache ich es mir im Zelt bequem - keine Minute zu früh, es fängt an zu regnen und wird nun langsam dunkel. Der Regen hört bald wieder auf und ich habe eine sehr ruhige Nacht im Zelt.

 

06. Mai:

Gegen 7.00 Uhr wache ich bereits auf, bleibe aber noch bis 8.00 Uhr liegen - jetzt brennt jedoch die Sonne aufs Zelt und es wird mir zu warm. Im Topf ist noch ein Viertel Liter Wasser von gestern, damit mach ich mir ein Müsli - für den Kaffee bin ich heute morgen zu faul.

Nach dem gemütlichen Zeltabbauen und verstauen der Ausrüstung laufe ich gegen 8.55 Uhr los. Es geht in ein kleines Wäldchen, immer der Fahrspur nach. Deshalb gucke ich nicht mehr weiter auf die Karte - um dann festzustellen, dass ich eigentlich vor 2 km und 200 Hm tiefer rechts hätte abbiegen müssen. Ich bin im rechten Winkel zum richtigen Weg gelaufen, da ich mich nun nicht weglos durchs Moor schlagen will, gehe ich zurück. Nach einem kurzem Stück kommen mir 2 Männer entgegen, ich frage nach dem Weg zur Carnmore Bothy und beide sagen mir, dass das dieser ist, sie wollen auch da hin. Erst aufgrund unseres gemeinsamen Kartenstudiums stellen auch sie fest, dass sie verkehrt sind, jedoch haben sie keine Lust umzukehren und wollen irgendwie wieder auf den Weg kommen. Ein fröhlicher Gruß „See you later“ und weg waren sie - ich hab sie nicht mehr gesehen auf der Tour.

Also zurück - fast bis zur Farm, sehr frustrierend gleich zu Beginn. Ich laufe dann den richtigen Weg durch den Wald und habe danach stundenlanges leichtes Auf und Ab zwischen Hügeln und Lochs. Es ist sehr windig und die Sonne kommt oft zwischen den Wolken raus.

 

Aufgrund des Windes hab ich gar keine Lust auf eine Pause und trotte so immer weiter, bis ich ganz in der Ferne bereits Carnmore links am Berghang auf der anderen Seite des Fionn Loch erkennen kann. Nun fängt es an zu regnen, das Wetter wechselt und ebenso die Regenschauer. Wenn es gerade mal windstill ist, sind sofort Hunderte von Midges um mich, die mich beim Laufen aber nicht stören. Ich werde langsam müde, die Knöchel tun mir weh, aber aufgrund des Regens ist alles naß und ich kann mich nicht hinsetzen.

Endlich dann komme ich an das Ufer des Lochs, ich gehe über den befestigten Causeway zwischen dem Fionn Loch und Dubh Loch und dann auf der anderen Seite wieder ein Stück den Hang hoch, bis ich endlich in der Sonne leuchtend weiß Carnmore vor mir sehe.

Leider ist das nicht die Bothy sondern das Jagdhaus für die Reichen, die hier im August zur Deer-Jagd per Boot über den See ankommen. 200 Yard weiter ist die „Barn“, diese darf von Hikern und Climbern benutzt werden. Barn - wie in einem Schafstall sieht es aus, unbefestigter Boden, staubige Plastikplanen liegen rum. Dazu stehen 4 Feldbetten mit rostiger Federung, da ich noch alleine bin, besetzte ich gleich das Beste davon - ich hab sogar eine Art Matratze unter meiner Plastikplane.

Immer noch besser als draußen auf dem moorigen und nassen Untergrund. Ich koche mir ein leckeres Abendessen und viel Tee, Füße einreiben - Socken wechseln, die Falke TK sind mir irgendwie zu dünn, und meine Füße leiden. Dann kontrolliere ich noch die Karte, heute bin ich wegen dem Umweg ca. 18 km mit ca. 500 Hm gelaufen.

4 Briten kommen noch dazu, draußen leichte Regenschauer, dann zieht sehr schnell ein Gewitter auf, Blitz und Donner, es wird ganz dunkel draußen und der Regen prasselt auf das Metalldach. Wir unterhalten uns gut und trinken Tee dabei.

So schnell wie das Gewitter kam, zieht es weiter und wir merken, dass die Sonne rauskommt. Alle gehen wir wieder nach draußen und spazieren auf den Wegen zu den umliegenden Hügeln. Unten am See bemerke ich eine große Herde Deers, bestimmt 30 Tiere, die plötzlich sehr schnell das Tal entlang laufen. Die Sonne beleuchtet die Berghänge und moorigen Wiesen in einem sehr schönen gelben Licht. Wir können uns nicht satt  sehen in der klaren Luft nach dem Gewitter. Gegen 22.00 Uhr wird es langsam dunkel und ich schlafe sehr schnell ein.

07. Mai:

Ich habe gut geschlafen, mein Feldbett war bequem, aber die Folie hat sehr stark geraschelt, nicht nur bei mir - auch bei dem schottischen Vater mit seinem 14jährigen Sohn. Die beiden jungen Engländer haben gleich auf dem Boden geschlafen.

Um 8.00 Uhr stehe ich gemütlich auf, koche mir Kaffee und ein leckeres Müsli dazu. Zähne putzen und aufräumen - es ist jeden Tag das Gleiche. Und um 9.10 Uhr stehe ich wieder vor der Hütte und beginne auf dem sehr gut angelegten Weg am Seeufer entlang. Es ist heute ein wolkenloser Himmel, vor mir fliegt plötzlich ein Moorhuhn auf, unten am See sind wieder die Deers von gestern Abend. Es geht ganz langsam ansteigend fast wieder in Richtung Norden, unter mir der zerklüftete See. Ich mache eine Pause auf einer Steinplatte und kann mich nicht satt sehen an der Natur. Es kommen ein paar Wolken auf, leichter Wind und keine Mücken. Toll.

Ab hier geht es langsam bergauf, in immer gleicher Steigung langsam hoch zu einem kleinen Pass ungefähr 400 Hm über mir. Noch 2 Stunden, dann bin ich auf dem gut angelegten Pfad da oben. Links von mir erkenne ich schon wieder ein Rudel Deers - rechts ein versteckter kleiner See. Und immer wieder fliegt ein Moorhuhn wenige Meter vor meinen Füssen auf.

Ab hier geht der Weg mit blockigem Gestein immer mal wieder auf und ab - und ist dann nach ca. 3 km plötzlich zu Ende. Mir wurde gesagt, dass der Weg einzig für die Jäger angelegt wurde. Und da jedes Glen zu einer anderen Estate gehört, haben die Leute von Carnmore dort unten im Tal nichts mehr verloren - also brauchen sie auch keinen Weg.

Laut meiner Karte sehe ich, dass ich nach Nordosten muß, ca. 2 km von hier auf der anderen Seite eines größeren Flusses liegt mein Tagesziel am Nordende des Loch na Sealga einem wunderschönen, fjordartigem See. Hier ist kein Weg zu erkennen, es ist moorig und sumpfig, auch im steilen Gelände sinke ich oft bis über die Knöchel ein. Dann finde ich mal wieder ein paar Fußspuren, um dann gleich wieder auf den Spuren des Wildes weiter zu gehen. Das ist mit Abstand der anstrengendste Teil für heute. Die Flussquerung ist nicht schlimm, aufmerksam mit den Stöcken sichern und nicht unbedacht auf die Trittsteine steigen ist das Wichtigste. Und endlich um 15.00 Uhr stehe ich unten am Ufer des Loch na Sealga, hier war mal früher ein Fischerhaus, das Fundament ist noch zu erkennen, daneben eine trockene und ebene kleine Wiese für mein Zelt. Heute war ein angenehmer Tag - ich hatte den ganzen Tag Sonne, ein paar Wolken zogen mit dem Wind - keine Midges und ich habe knapp 12 km in ca. 6 Stunden hinter mich gebracht.

Als erstes stelle ich mein Zelt auf, dann gibt es Gemüserisotto mit viel Tee und ich wasche erst mal in dem sehr kalten See den Schweiß von der Stirn. Ich wollte heute die Gamaschen nicht benutzen, da es recht warm war und das merke ich nun an der Hose, der Dreck geht hoch bis zu den Knien, aber auch das kann ich schnell im See raus waschen und dann die Hose an den Stöcken im Wind flattern lassen. Den ganzen Tag bin ich keinem Menschen begegnet und auch jetzt ist vermutlich niemand im Umkreis von 10 km zu finden. Ich höre nur das Rauschen des Wasserfalls am Hang, ab und zu einen Kuckuck in der Ferne und die Vögel in meiner Nähe. Es ist himmlischer Frieden rund um mich. Ich sitze noch in der Sonne zum Lesen, Teetrinken und Kochen. Laufe etwas rum, fotografiere viel, stehe am Ufer und horche in der Natur und gegen 21.00 Uhr wird es mir kalt und ich gehe ins Zelt.

8. Mai:

Gegen 6.00 Uhr wache ich auf, ich sehe die Nebel über die Ufer ziehen und die Berge und Wolken spiegeln sich auf der glatten See-Oberfläche. Ich lasse das Zelt offen, um mehr davon zu sehen - jedoch wird es wieder sehr kalt. Als ich um 8.00 Uhr aufstehen will, oh Schreck - Regen, es waren jedoch nur ein paar Tropfen und es bleibt trocken. Es ist wieder ein klarer Tag und langsam wärmt mich die Sonne. Das übliche morgendliche Geschäft und wie fast jeden Tag stehe ich um 9.00 Uhr mit geschultertem Rucksack am Seeufer.

Um 6.00 Uhr                                                        Um 8.00 Uhr

Die ersten 2 km ist kein Weg auf der Karte eingezeichnet - es geht so weiter, wie es gestern geendet hat. Zuerst am Ufer über lose Steine, dann über zwei felsige Hügel mit sumpfigem Steingewirr und nach einer Stunde ist endlich ein Weg zu erkennen. Die nächste Stunde geht sehr schnell am Ufer des Sees, dann mache ich eine längere Pause bevor ich in einer weiteren Stunde zum Südende des Sees komme.

Sehr interessant ist es, an der Abbruchkante des Moores einen Schnitt durch den Untergrund zu sehen. Überall erkenne ich von der Sonne und vom Wasser gebleichte Wurzelstöcke von den Bäumen, die hier früher mal wuchsen. Es muß sich um einen sehr dichten Wald gehandelt haben, die Wurzeln sind fast schon ineinander verflochten.

Vom See führt ein gut angelegter Versorgungsweg ca. 1 km von hier taleinwärts zu einem Anwesen, entweder Fischer- oder Jagdhaus, ich kann es nicht erkennen. Mein Tagesziel die Shenavall Bothy liegt jedoch einen guten Kilometer von hier am Gegenhang, auf der anderen Seite des weiter vorne zu erkennenden Flusses Abhainn Srath na Sealga. Ich muß also durch dieses sumpfige Mündungsgebiet laufen. Ich folge einem Wildwechsel in Richtung der Bothy, Glück gehabt - hier sind auch Fußspuren im Moor zu erkennen. Ich folge den Spuren, suche mir im Zickzack einen Weg im Sumpf, fast jeden Schritt prüfe ich vorher mit den Stücken, ob ich dort festen Boden finde. Oft geht es wieder ein paar Meter zurück und auf einem anderen Weg weiter. Es ist mühsam immer wieder den Moorlachen auszuweichen - da plötzlich trete ich daneben. Ich weiß noch genau, dass ich an der Stelle nicht mit dem Stock getestet habe - und platsch, versinken meine beiden Beine bis zur Hüfte im Moor. Ich greife instinktiv mit den Armen nach vorne, stütze mich auf die Ellbogen und ziehe mich aus dem Dreck. Ich weiß nicht, ob das schon der Grund des Moorlochs war, oder ob es noch tiefer rein gegangen wäre.

                     

Bis zur Hüfte ist alles voller klebrigem Matsch und Dreck, von den Händen und Unterarmen tropft der Matsch, aber die Strümpfe sind immer noch trocken - ich war so schnell, dass kein Dreck unter die Gamaschen kommen konnte.

Ich habe noch ca. 500 mtr bis hoch zur Bothy, jetzt geht es über den Fluß - ich finde eine gute Stelle und kann über die Steine balancieren, ohne die Schuhe auszuziehen. Ab hier wird es trockener und in wenigen Minuten bin ich oben am Hang bei der Schutzhütte.

Hier treffe ich mehrere Leute, es ist mir ganz ungewohnt hier in den vermeintlichen Trubel zu laufen - es gibt ein großes Hallo als ich mit meiner Moorpackung ankomme. Außer dem Dreck bin ich heute noch sehr fit, es ist ja auch noch früh am Tag. Das waren heute knapp 9 km in 3,5 Stunden.

Die Leute bei der Bothy kommen vom Mountain Club in Inverness und haben an diesem Wochenende einen Arbeitseinsatz, um die Hütte zu renovieren. Das Dach wird neu gestrichen und unterm Dach gibt’s Schreinerarbeiten. - deshalb gibt es auch zur Zeit keine Schlafplätze in der Dachschräge, macht mir aber nichts - ich will eh mein Zelt aufstellen.

Als erstes hole ich mir meine Reservehose aus dem Rucksack und verschwinde hinterm Haus zum Umziehen, dann wasch ich schnell die Klamotten raus und hänge sie an einen Ast in den Wind. Es ist immer noch trocken, aber Wolken ziehen auf und der Wind kühlt sehr stark ab.

Ich sitze im Windschatten, lese ein wenig, gucke den Leuten beim Dachstreichen zu, unterhalte mich gut und mache mit bei den Witzchen über die Deutschen, die normalerweise hier im August ankommen und dann über Regen und Midges jammern. Außer den Leuten vom Mountain Club kommen noch ein paar Wanderer vorbei, die einen Müllsack mit ins Tal nehmen. Ansonsten ein Paar aus Holland, das noch eine gute Stunde weiterlaufen will. Ich gucke Ihnen bei der Querung des Moores zu und stelle fest, dass sie den gleichen „Weg“ laufen wie ich, und genauso langsam vorankommen. Und später dann zwei Frauen aus Inverness - sie wollen zum Sonntag schnell einen oder zwei Munroes besteigen.

Die Leute aus Inverness, sind für heute fertig und beginnen mit einem kleinen Grillfest. Aus allen Ecken werden die Whisky-Flaschen gezogen - und auch ich bekomme meinen Teil ab. Später sitzen wir noch in der Hütte am Kamin bis es dunkel wird, es regnet leicht. Peter und seine Frau waren unten am See und haben Wurzeln für unser Kaminfeuer geholt.

Einer der Schotten verbrennt die Lebensmittelreste, die von den Wanderern hier in der Hütte zurückgelassen wurden. Er ärgert sich darüber, denn das Zeug will nie jemand und wird immer mehr, und zieht dann Ungeziefer an. Die Leute wollen einfach nur den Rucksack leichter bekommen, er meint das wäre alles Müll. Genauso ist es mit den angebrochenen Gaskartuschen, auf dem Kaminsims stehen 4 Stück von verschiedenen Systemen, aber in jeder ist nur noch ein sehr kleiner Rest Inhalt, diese Kartuschen helfen niemandem mehr, aber die Leute vom Mountain Club müssen das Zeug dann ins Tal bringen und entsorgen. Geben 21.45 Uhr merke ich die Wirkung von Whisky, frischer Luft und Anstrengung - ich verziehe mich in mein Zelt und schlafe sehr schnell ein.

 

Sonntag 09. Mai:

Um 4.30 Uhr werde ich wach, ich muss auf Klo - dabei bemerke ich zwei Deers keine 100 mtr weiter. Über uns eine dicke Nebelschicht, leichter Regen und alles ist ruhig. Ich schlaf noch ein wenig und werde gegen 7.00 Uhr wach vom Gemurmel der Ladies, die bereits vor der Hütte stehen und ihren Tee trinken. Sie wollen heute schließlich einen oder zwei Munroes besteigen und dann wieder heim nach Inverness.

Ich mache mir Frühstück und packe langsam zusammen. Ich lasse mir Zeit, es ist ein sehr dichter Hochnebel über dem Tal. Um 8.45 Uhr laufe ich los. Es geht erst mal ca. 2 km den Fluß entlang Richtung Süden in ein sehr idyllisches Tal mit einem kleinem Eichenwald. Hier würde es mir auch Spaß machen, das Zelt aufzustellen. Ab hier ist der Weg eine Traktor-Fahrspur und führt in einem weiten Bogen vom Fluß weg langsam bergauf. Nun laufe ich auf einer baumlosen, moorigen Hochebene - zum Glück auf dem steinigen Fahrweg - in dichtem Nebel immer gerade aus weiter. Es ist kühl und feucht. Links und rechts von mir ist Moor und Steine. Ab und zu sehe ich ein paar Deers. Nach ca. 2 ½ Stunden habe ich die höchste Stelle erreicht und bald danach geht es wieder talwärts. Ich habe den Nebel über mir gelassen, es ist eine sehr klare Sicht hier, rechts ein schöner See.

Ich finde einen schönen großen Stein am Wegesrand - gerade richtig für eine Pause. Gemütlich sitze ich hier bei einer Fruchtschnitte und freue mich, dass es heute nur noch abwärts geht. Da kommen Peter und seine Frau, das ältere Ehepaar das bei der Hüttenrenovierung geholfen hat. Wir unterhalten uns kurz und sie fragen mich, wo ich heute noch hin will. Ich will versuchen die Hauptstraße entlang bis zur Braemore Junction zu kommen und von dort nach Ullapool. Allerdings ist heute Sonntag und es gibt keine öffentliche Busverbindung. Deshalb beschließen die Beiden, mich bis zur Braemore Junction mitzunehmen - immerhin ca. 20 km.

Wir laufen zusammen los, mit einem flotten Schritt geht es runter ins Tal und nach nur 45 Minuten stehen wir am Parkplatz. Das waren heute ca. 10 km in 3,5 Stunden. Kurz nach 13.oo Uhr setzen nich die Zwei an der Kreuzung ab. Ich orientiere mich ein wenig - muß erst nachdenken, auf welcher Straßenseite ich zum Autostoppen stehen muß. Die Briten mit ihrer Linksfahrerei irritieren mich immer noch. Aber scheinbar auch andere, denn nach vielen Einfahrten oder Parkplätzen sind hier an den Straßen Schilder mit der Beschriftung „Links fahren“ in vielen Sprachen zu sehen und sogar noch Pfeile auf der Straße.

Ich stehe noch nicht lange, da fährt recht flott ein Landrover vorbei. Und kurz darauf zwei ältere Damen - kein Problem, ich steh ja erst ein paar Minuten. Doch plötzlich kommt der Landrover wieder zurück, hält neben mir - und der Fahrer entschuldigt sich, dass er mich nicht gleich bemerkt hat. Whow, so was hab ich noch nicht erlebt.

Das nette junge Musiker-Paar nimmt mich die weiteren 20 km nach Ullapool mit und fahren mich sogar aufs Gelände des Campingplatzes. Toll. Unten am Hafen sehe ich viele Leute und es ist ein Gewusel in der Stadt - soviel Leben ist mir ganz ungewohnt.

Es ist windig, auf der großen Wiese direkt am Ufer des Loch Broom stehen nur ein paar Wohnmobile und ein einsames Zelt. Schnell hab ich mir was zu Mittag gekocht und das Zelt aufgebaut, dann ab unter die Dusche - 6 Minuten heißes Rinnsal tut gut. Dann noch Klamotten sortieren und zum Trocknen im Zelt auslegen. Es ist trüb, ab und zu kommt die Sonne, sehr viel Wind weht vom Meer her.

Es ist 15.30 Uhr - nun werde ich mal den Ort erkunden. Ich laufe an die Pier, esse leckere Fish&Chips, kauf ein paar Sachen im Safeway und besorge Souvenirs für meine Kinder. An der einzigen Hauptstrasse zum Hafen runter laufen Unmengen von Touristen rum - im Sommer wird es hier noch viel Schlimmer. Ich laufe die 3. Runde durch den Ort und am Loch Broom entlang - die Touris haben sich in ihre B&B verzogen und nun kommt mir der Ort recht beschaulich vor. Ein paar Fischer hantieren noch an ihren Netzen und Booten. Ein paar Leute laufen noch rum wie ich, irgendwie hab ich die Gesichter schon alle gesehen. Mir wird langweilig und ich verzieh mich bald zum Lesen ins Zelt. Draußen verschwindet alles vor der Bucht im dichten Nebel, aber wie üblich am Abend lässt der Wind nach und ich schlafe bald ein.

 

Montag 10.Mai:

Bereits um 6.30 Uhr bin ich wach, es ist warm im Zelt, ich muß aufs Klo und dann fange ich gleich an aufzuräumen. Um 7.15 Uhr kommt der Campgroundbesitzer und kassiert 6 Pfund für die Nacht. Kurz vor 8 Uhr bin ich fertig und gehe los. Schon seit einiger Zeit sehe ich ein paar Birdwatcher mit großen Fernrohren und Ferngläser am Ufer stehen, ich sehe sie dann noch öfter, wenn sie den ganzen Ort entlang am Ufer laufen und immer wieder stehen bleiben.

Es ist wieder ein kalter Wind, dichter Nebel über dem Land, ich kauf mir ein paar Sachen im Safeway und freue mich, als um 9.15 Uhr endlich die Wartehalle am Fährterminal geöffnet wird. Bei einem Kaffee beobachte ich wie die Fähre von Lewis ankommt. Nun reicht mir eigentlich der Aufenthalt im beschaulichen Ullapool und ich freue mich, als der Bus nach Inverness ankommt. Im Sommer ist hier wohl die Hölle los, aber momentan ist mir einfach nur kalt.

Der Bus fährt recht zügig erst durch die Highlands und dann durch landwirtschaftlich genutztes Land nach Inverness. Der Bus hat Verspätung und so wartet dort schon mein Anschluß nach Ft. William auf mich. Gut, dass ich schon Reiseproviant dabei habe, es geht gleich weiter auf der schon bekannten Strecke am Loch Ness entlang. Ich will gleich weiter auf die Insel Skye, es geht noch ein Bus von hier direkt auf die Insel. Die Sonne scheint, der Ben Nevis ist zu sehen - im oberen Drittel ist er schneebedeckt.

In Ft. William hab ich eine Stunde Aufenthalt, es ist sehr heiß, ich hol mir noch ein paar Sachen im Safeway und lege mich dann auf die Wiese vor dem Nevis-Center. Dann geht es weiter. Die Landschaft ändert sich, es geht eine lange Fahrt zuerst durch eine raue Gegend, aber keine schroffen Berg, die Gipfel sind jedoch oft mit Schnee bedeckt. Vorbei an den beeindruckenden „FiveSisters“ fahren wir in Richtung Küste am Fjord entlang. Wir kommen an der Ruine von Eileen Donan Castle vorbei - sehr eindrucksvoll, auch die vielen geparkten Autos rundum.

Endlich geht es über die gebührenpflichtige Brücke über den Kyle of Lochalsh auf die Insel. Hier ist es erst mal flach, viele Schafe sind zu sehen, dann wird es moorig und hügelig und es geht über eine einsame Straße an den hohen Bergen in der Inselmitte vorbei zur Hafenstadt Portree.

Der Bus hält am Marktplatz und ich sehe auch gleich ein Schild vom „Independent Backpacker“ - schnell hab ich mir ein Bett gesichert um dann den Ort anzuschauen. Portree ist ein netter kleiner Hafenort, es ist hier mehr los als in Ullapool, im Hafen dümpeln ein paar bunte Fischerboote vor einer hohen Bergwand, die einen natürlichen Schutz bildet. Ich koch mir noch was zum Abendessen und sitze dann im Backpacker vor dem Fernseher bevor ich bald ins Bett gehe.

 

11. Mai:

Um 7.00 Uhr bin ich wieder fit, Frühstücken und zusammenpacken - und um 8.00 Uhr stehe ich vor dem Haus. Ich will heute nach Carbust auf die andere Seite der Insel, um die Talisker-Destillery zu besichtigen und dann kuck ich mal weiter. Da es in die Richtung jedoch keinen öffentlichen Bus gibt, laufe ich erst mal raus aus dem Ort und fange dann mit Autostopp an.

Endlich um 8.30 Uhr nimmt mich jemand mit, auf die 10 Meilen bis Sligahan Junction, er will weiter nach Süden - aber ich will ab hier in den Norden. Ich stehe 10 Minuten an der Kreuzung, es ist viel Verkehr, aber alle fahren nach Portree und nicht in den Nordwesten der Insel. Endlich kommen zwei Bergsteiger, ich quetsche mich noch mit in das Auto und die Jungs nehmen mich weitere 10 Meilen mit, ab hier muß ich noch eine knappe Stunde laufen und stehe dann in einem kleinen Ort mit wenigen Häusern - aber einer großen Destillery.

Es kommen immer mehr Leute und so beginnt um 10.30 Uhr die Besichtung erst mal mit einem Glas Whisky. Sehr eindrucksvoll erklärt uns Kathy die ganze Anlage, zeigt uns sehr schön geformte Brennblasen, erklärt uns den Whisky-Safe, in dem verplombten Gehäuse fließt hinter Glas das Lebenswasser von einem Behälter in den anderen. Hier ist der Whisky noch glasklar, hat jedoch schon den rauchigen Geschmack an sich. Die Farbe kommt erst von der späteren Lagerung im Faß. Auf dem ganzen Gelände riecht es fein nach Whiskey und es herrscht eine sehr ruhige Atmosphäre.

Nach der Besichtigung nutze ich gleich die Chance auf eine Mitfahrgelegenheit bei zwei Amis zurück nach Sligachan, da ich ein Busticket zurück nach Ft. William habe.

Der Ort besteht aus einem großen Highland-Hotel, einem Hostel und einem Bergsteiger-Campingplatz unten am Fluß. Ich habe noch ein paar Stunden Zeit und so spaziere ich erst mal den Hang hoch in Richtung der Cuillins oder setze mich hinter eine Brücke in die Sonne und lese gemütlich. Es ist auch hier wieder sehr windig in dieser rauen Gegend, leider kommen dann Wolken und es wird kühl - durch meine Sommerhose zieht es kalt und ich freue mich dann, als der Bus kommt und ich in der gemütlichen Wärme wieder zurück aufs Festland fahren kann. Eine kurze Pause in Ft. William, um meine Vorräte aufzufüllen - ganz wichtig ein Bierchen für den Abend - und dann geht es gleich wieder mit dem Bus in Richtung Süden. Direkt am Kingshouse Hotel, mitten im Ranooch Moor steige ich aus, um auf der Wiese hinter dem Hotel zu zelten.

Ich komme um 19.45 Uhr an, es ist jetzt wieder sehr sonnig und mild, es stehen bereits ca. 20 Zelte am Bach. Viele Briten, Amis und auch 3 Deutsche in meiner Nähe - ich hab jetzt schon sehr lange nicht mehr deutsch gesprochen und freue mich auf die Unterhaltung.

Ich koch mir was und dazu meine Dose Bier - wie praktisch, ich hab versehentlich Starkbier mit 9%Alc. erwischt, das wirkt wie die doppelte Menge und ich hab ne richtige Bettschwere, als ich gegen 22.30 Uhr in den Schlafsack krieche.

 

Mittwoch 12. Mai:

Ich habe heute länger geschlafen und will nicht hetzen, deshalb beschließe ich gleich den Bus um 12.00 Uhr nach Glasgow zu nehmen. Ich beobachte die anderen Wanderer, die zusammenpacken und loslaufen - und die vielen Leute, die im Hotel übernachtet haben und jetzt mit kleinem Gepäck starten. Dann wandere ich den Fluß entlang und mache Fotos, ich sitze in der Sonne und packe meine Sachen zusammen. Die letzten Wolken verziehen sich nach Norden, es wird ein schöner Tag.

Aber dann wird es mir doch zu langweilig, gegen 10.00 Uhr laufe ich hoch zur Straße und halte den Daumen raus. Es dauert nicht lange und zwei junge Iren nehmen mich mit bis Chrainlairich. Dort stehe ich allerdings eine halbe Stunde, bis ich mit einem Schotten mitkomme, der seine Mutter in Wales besuchen will.

Er erzählt mir einen witzigen Spruch über die Schotten: „If you wear a kilt in London, they think you are from Edinburgh. If you wear a kilt in Edinburg, they think you are from the Highlands. If you wear a kilt in the Highlands, they think you are totally crazy.“

Wir unterhalten uns gut auf der Fahrt und er bringt mich bis an den Stadtrand von Glasgow. Von dort fahre ich in wenigen Minuten mit dem Bus ins Stadtzentrum und laufe durch die vielbesuchte Fußgängerzone zum Eurohostel. Einchecken geht erst ab Nachmittag und so kommt mein Rucksack in die Abstellkammer und ich kann befreit in die Stadt zum Bummeln und Schauen. Glasgow ist eine sehr moderne Einkaufsstadt, es gibt viele ShoppingCenter und die Leute laufen sehr modisch rum.

Mir reichts dann wieder und ich gehe zurück zum Hostel. Duschen, Essen und die E-Mails im Internet checken, danach sitze ich im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher.

Dort spricht mich Marcus Löffler aus dem Outdoor-Forum an, er hat mich aufgrund meines Bildchens erkannt und so veranstalten wir spontan das 1. Forumstreffen in Glasgow und unterhalten uns über das Erlebte hier in Schottland. Marcus hatte Pech, wegen einem verstauchten Knöchel musste er seine Wanderung abbrechen.

 

Donnerstag 13.Mai:

Nach dem leckeren Frühstück im Hostel lagere ich wieder meinen Rucksack ein, um noch mal unbeschwert in der Stadt rumzulaufen. Es ist heute bewölkt und windig, ich bin froh um meine Jacke. Dann besorge ich mir noch Reiseproviant, trinke einen leckeren Frappuccino bei Starbucks und bald geht es mit dem Zug nach Prestwick, wo abends der Flieger zurück geht.

Ich sitze noch ein paar Stunden in dem beschaulichen Airport rum und endlich geht es überpünktlich gegen 21.00 Uhr zurück nach Hahn, wo wir dann schon gegen 23.00 Uhr landen.

Schnell habe ich meinen Rucksack und fahre mit dem Shuttle-Bus zu meinem Auto. Und da in der Nacht fast nichts los ist auf der Autobahn komme ich bereits morgens um 3.00 Uhr zuhause an.


 

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